Ja, liebe Leser, jetzt seid Ihr platt, was? Soviel Bosheit und Hinterhältigkeit ist schon außergewöhnlich. Aber in einem Groschenroman muss das so sein – Gut und Böse, klar erkennbar getrennt. Irgendwie muss das Genre Trivialliteratur ja bedient werden. Mal sehen, wie sich Georg aus der Affäre ziehen wird.
Ein Sturm brach los. Die Gäste stürmten auf die Treppe, es gab kein Halten mehr. Alle wollten Georg und Ingrid, dem neuen Traumpaar, gratulieren. Margit von Kessler drückte Georg so fest, dass er glaubte zu ersticken. Der junge Graf hielt noch immer das Glas mit Champagner in der Hand, das er eigentlich mit Angelika hatte trinken wollen. Das andere Glas hatte ihm Ingrid abgenommen, sie stieß nun mit allen an, sie strahlte mit ihren Eltern um die Wette. “Georg, mein Lieber, das ist ja wunderbar.” Baronin von Gaißberg hatte sich den Weg auf die Treppe gebahnt. Jetzt wedelte sie mit ihrem Taschentüchlein. “Gottlob Herr Graf, dass ich mein Taschentuch eingesteckt habe. Wusste ich doch, dass da heute noch was kommt. Meine Rührung ist jedenfalls grenzenlos. Kommen Sie her, Junge. Ich gratuliere Ihnen.” Wie all die anderen Gäste herzte und küsste Baronin von Gaißberg Georg und Ingrid. “Georg, Sie Schelm”, Graf Grünrock zu Maiersfelden näherte sich mit erhobenem Zeigefinger und gespielter Empörung. “Das war ganz schön raffiniert von Ihnen, mir diese junge Dame wegzuschnappen.” Er küsste Ingrid. “Herzlichen Glückwunsch meine Liebe.” Dann schüttelte er Georg die Hand und hob sein Glas. “Aber ich verzeihe. Ja, ich verzeihe. Immerhin sind Sie ein Prachtbursche, ich denke, von Ihnen wird sie mehr haben als von mir altem Knochen.” Noch einmal zwinkerte er Ingrid lüstern zu. “Grünrock”, rief Graf Hasso. “Jetzt ist Schluss. Du lässt Deine alten Gichtfinger von meiner Schwiegertochter. Dass das klar ist.” Er lachte laut und fiel Graf Grünrock um den Hals. “Du hast Recht. Mein Sohn ist ein Prachtbursche und hat jetzt ein Prachtweib.”
Georg konnte nicht glauben, was passierte. Eben noch, vor nicht einmal einer Stunde, war er der glücklichste Mann gewesen. An seiner Seite die Frau seines Lebens, die er nach vielen Wirrungen endlich für sich gewonnen hatte. Nur für fünf Minuten hatte er sich entfernt, um Champagner zu holen, mit dem sie auf ihre Liebe anstoßen wollten. Und jetzt? Jetzt war er verlobt mit einer Frau, die ihm das Schlechteste wollte, die er nicht liebte und von der er nicht genau wusste, was sie eigentlich im Schilde führte. Wie schrecklich konnte das Leben sein! Und es gab keine Chance zu entkommen. Graf Benedikt von Hermannshausen und seine Gattin standen nun vor ihm. Das Glas erhoben, setzte der Graf an zu einer seiner schwülstigen Gratulationsreden. “Mein lieber Georg, nachdem Sie nun Ihre Wahl getroffen haben und eine Frau fürs Leben gefunden . . .” Georg hörte nicht mehr zu. Er musste weg, schnellstmöglich. Er musste Angelika finden. Wo mochte sie nur sein? Was mochte sie denken? Mein Gott, nein, dachte Georg. Sie musste ihn für einen Verräter, einen Lügner, einen charakterlosen Schwerenöter halten. Wie sollte er ihr diese Situation jemals erklären? Würde sie ihm glauben? Oder würde sie auf Nimmerwiedersehen wegschicken? “Georg? Georg?” Ingrid rief seinen Namen, immer wieder. “Ich glaube, Du solltest jetzt auch etwas sagen. Meinst Du nicht?” Bildete er sich das ein oder war ihre Stimme voll von boshaftem Triumph.
Ja, sie hatte ihm übel mitgespielt. Die Rache war ihr gelungen, wie auch immer sie es eingefädelt hatte. Aber sie würde nicht ungeschoren davonkommen, das schwor sich Georg bei allem, was ihm lieb war. Doch erst musste er Angelika alles erklären. “Georg! Unsere Gäste möchten auch von Dir ein paar Worte hören.” Graf Hasso hatte Georg am Arm genommen. “Ihr wollt das Glück sprechen hören, hab ich Recht?”, rief er in die Menge.
Liebe auf Gut Ihringheim, Folge 32; ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.