Bei aller Begeisterung über das brandneue Ebook – der aktuelle Groschenroman geht weiter. Im Grandhotel Herz will Mitzi jetzt als Zimmermädchen anheuern. Lest heute die Folge 8.
„Wie kann ich Ihnen helfen, gnädiges Fräulein?“ Der Herr an der Rezeption sah Mitzi kritisch an als er die Frage stellte, wandte sich dann aber wieder schnell seinen Papieren zu, mit denen er die ganze Zeit hantierte.
„Ich, äh, ich sollte mich heute hier vorstellen. Mein Name ist Mitzi Pichler, ich suche eine Stellung als Zimmermädchen.“
„Achso . . , ja . . ., gut. Dann warten’S bittschön hier, ich sag der Frau Reitinger Bescheid.“ Er griff zum Telefonhörer und wählte eine Nummer. „Hallo? Ja, Mariandl, do is a junges, fesches Madl. Die möchte‘ Zimmermädchen werden bei uns. Kommst runter?“ Er nickte Mitzi aufmunternd zu, dann legte er auf. „Meine Kollegin kommt sofort. Nehmen’S doch dort hinten kurz Platz“, sagte er freundlich und zeigte zu den Sesseln am Fenster.
„Danke“, sagte Mitzi.
Es war das erste Mal, dass sie ein Hotel betreten hatte. Bei vier Kindern hatte das Schuhmachereinkommen ihres Vaters nie für eine Reise gereicht. Nur im Film hatte Mitzi gesehen, wie es in Hotels zuging. Die aufregende Atmosphäre, der Duft der großen weiten Welt, das internationale Flirren, das erlebte sie jetzt zum ersten Mal. Mitzi setzte sich in einen der Plüschsessel und sank tief in die Kissen.
Es herrschte reges Treiben in der Halle. Vornehme Leute gingen aus und ein. Sie waren teuer gekleidet, hatten gute Manieren und wunderschöne Koffer, von denen einer sicher mehr kostete, als der Vater im ganzen Monat verdiente. Mitzi schüttelte den Kopf. Ob sie sich hier wohlfühlen würde? Das war nicht ihre Welt. Puh! Wenn es nur mal kein Fehler gewesen war, nach Wien zu fahren. Wie war sie nur auf diese irrwitzige Idee gekommen? Sie hatte doch nur eine einfache Landärztin werden wollen, die den Leuten hilft, wieder gesund zu werden. Die große Welt hatte sie doch nie interessiert. Und jetzt war sie mittendrin. Mein Gott, dafür hatte sie den Vater ganz allein zu Hause zu lassen?
Mitzi wollte gerade aufstehen, als eine freundliche ältere Dame in einem eleganten blauen Kostüm an sie herantrat. Ihr gelbes Halstuch bot einen wunderbaren Kontrast zur dunklen Kleidung und strahlte Mitzi förmlich an.
“Fräulein Pichler?”
“Ja, das bin ich”, sagte Mitzi und sprang vom Sessel auf.
“Ich heiße Anneliese Reitinger, Guten Morgen!” Sie streckte Mitzi die Hand hin und lächelte.
“Guten Morgen”, stammelte Mitzi, die sich in Gegenwart der eleganten Erscheinung noch unsicherer fühlte.
“Sie suchen eine Stellung bei uns als Zimmermädchen?”
“Ja.”
“Das freut uns sehr. Während der Hochsaison brauchen wir dringend gute Kräfte. Haben Sie Ihre Zeugnisse dabei?” Die Dame bedeutete Mitzi Platz zu nehmen und setzte sich selbst in den Sessel gegenüber.
“Oh, nein”, sagte Mitzi. “Ich wusste nicht . . .”
“Das ist kein Problem, die können Sie nachreichen. Sie haben doch eine entsprechende Ausbildung, oder? Sie werden verstehen, dass ein gutes Haus wie unseres nur Fachkräfte einstellen kann.”
“Oh, ah, achso, nun gut, eine Ausbildung? Nein, eine Ausbildung habe ich keine.”
Anneliese Reitinger zog fragend die rechte Augenbraue hoch.
“Ich habe jahrelang dem Vater den Haushalt geführt. Betten machen, Bad putzen, aufräumen. Wie ein Zimmermädchen, halt. Reicht das nicht?”
“Haha”, lachte die Dame, “na ja, ein bisschen Haushalt und die Arbeit eines Zimmermädchens in einem Grandhotel lassen sich ja wohl kaum vergleichen.”
So war das also, dachte Mitzi. Sie war nicht gut genug. Offenbar erforderte die Arbeit im Grandhotel eine besondere Ausbildung im Betten machen. Offenbar genügte es nicht, jahrelang die Betten in Heiligendorf gemacht zu haben. Oder das Badezimmer, nachdem vier Männer ihre Morgentoilette absolviert hatten. Mitzi schüttelte den Kopf. Bei aller Unsicherheit, mit einem derartigen Quatsch wollte sie sich nicht abspeisen lassen.
“Hören Sie, Frau Reitinger”, sagte sie. “Ich möchte nur eines: Nämlich Medizin studieren und Ärztin werden. Davon träume ich schon mein ganzes Leben. Und weil ich kein Geld habe, brauche ich einen Job. So schwer kann Zimmermädchen ja wohl nicht sein, oder? Geben Sie mir einen Putzlappen und ich zeige Ihnen, was ich kann!”
“Gut”, sagte Anneliese Reitinger nach einer Pause und stand auf. “In Ordnung. Entschlossene junge Frauen sind uns immer willkommen.” Sie streckte Mitzi die Hand hin. “Morgen, 6.30 Uhr melden Sie sich im Verwaltungstrakt, dritter Stock. Eine Woche Probezeit, dann sehen wir weiter.”
Mitzi stand auf. “Danke”, sagte sie und streckte die Hand aus, aber Frau Reitinger hatte sich schon umgedreht und ging davon.
Hier geht’s zu Folge 9 von “Grandhotel Herz”.
Grandhotel Herz, Folge 8; ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.
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