Auch wenn es meinen ersten Groschenroman demnächst als Ebook gibt; hier auf dem Blog geht es wie gewohnt weiter mit den einzelnen Folgen von Grandhotel Herz. Heute steht Folge 7 an.
“Was hast Du als nächstes vor?” Sie saßen beim Abendessen. Mitzi hatte Rührei gemacht. “Das Semester fängt doch erst im Oktober an”, fuhr Gertrud fort.
“Ich weiß”, antwortete Mitzi. “Aber ich musste einfach weg aus Heiligendorf. Ich hab kein Luft mehr bekommen dort. Und Toni . . .”
“Toni?”
“Er wollte mich einfach nicht in Ruhe lassen, obwohl ich ihm hundertmal gesagt habe, dass es aus ist.”
“Aha, verstehe. Hast Du denn überhaupt schon einen Studienplatz?”
“Nein, darum muss ich mich jetzt kümmern. Aber ich gehe davon aus, dass das kein Problem sein wird.”
Gertrud schaute sie fragend an.
“Naja, mein Schulabschluss ist ziemlich gut, weißt Du.”
“Trotzdem, was willst Du machen bis Oktober?”
“Ich dachte, ich suche mir erst einmal einen Job. Am besten einen, den ich auch während des Studiums behalten kann.”
“Da fällt mir nur einer ein: Zimmermädchen.”
“Zimmermädchen? Warum ausgerechnet Zimmermädchen? Ich hab vom Hotelbetrieb keine Ahnung.”
“Das musst Du auch nicht. Zimmermädchen werden in Wien gesucht wie verrückt. Vor allem jetzt, wo die Hochsaison vor der Tür steht. Alles, was Du wissen musst, sagen sie Dir vorab. Ich hab jede Menge Freundinnen, die ihr Studium als Zimmermädchen finanziert haben. Du musst halt morgens recht früh raus, das ist der einzige Nachteil.”
“Klingt gar nicht schlecht, die Idee. Vielleicht treffe ich ja auf einen schönen und reichen Hotelierssohn, der mich heiratet.”
“Oh bitte, Mitzi, träumst Du auch diesen Mädchentraum, der sich soweit ich es weiß, noch nie erfüllt hat?”
“Ich hab nur Blödsinn geredet. Mein Bedarf an Männern ist fürs Erste gedeckt.” Sie warf den Kopf in den Nacken, dass ihr braunes Haar flog. “Ich bin sooo froh, Toni los zu sein.”
Gertrud stellte eine Flasche Rotwein auf den Tisch und öffnete sie. “Du trinkst doch ein Gläschen, oder?”
“Gerne.”
“Die hat mir ein Stammkunde aus dem Buchladen geschenkt. Er versucht schon seit Monaten, mich zu einem Date zu überreden.”
“Und, was hindert Dich?”
“Im Grund genommen nichts. Er ist nett, sieht ganz gut aus …”
“Aber?”
“Ach, ich hab einfach keine Lust. Fertig!”
Die Tante goss zwei Gläser voll, reichte eines davon Mitzi. Dann setzte sie sich und hob das Glas. “Lass uns nicht über Männer sprechen, das ist ein leidiges Thema. Zum Wohl, trinken wir auf Dein Studium.”
“Zum Wohl”, sagte Mitzi und hob ebenfalls ihr Glas. Sie wusste kaum etwas über Tante Gertrud. War sie verheiratet gewesen, oder war sie es vielleicht noch? Hatte sie Kinder? Bei Mitzi zu Hause hatte nie jemand über die Schwester ihrer Mutter geredet. Das war ein Tabuthema gewesen und die Kinder hatten nie erfahren, warum. Irgendwann in ihrer Jugend mussten die beiden Schwestern einen großen, bis zum Tod von Mitzis Mutter, unausgeräumten Streit gehabt haben. Mitzi hatte immer den Eindruck gehabt, ihr Vater wisse mehr, aber er hatte geschwiegen. So kam es, dass Mitzi ihre Tante jetzt zum ersten Mal sah. Mitzi genoss die Unterhaltung mit einer Frau sehr, es war etwas ungewöhnliches, das sie aus ihrem Männerhaushalt zuhause nicht kannte.
“Ich würde zunächst versuchen, in einem großen Hotel unterzukommen”, sagte Gertrud und stellte ihr Glas auf den Tisch. “Ein Grandhotel oder so.”
“Meinst Du, die warten grade auf mich? Die Mitzi aus der Provinz?”, fragte Mitzi und lachte.
“Ja, lach’ Du nur. Wirst schon sehen. Einen Job wirst Du schneller finden, als Du denkst.”
“Das ist gut. Und dann werd ich mir gleich nach einem Zimmer schaun.”
“Ja, woher denn? Wieso solltest Du Dir ein Zimmer mieten, wo bei mir in der Wohnung eines leer steht? Das wär doch wirklich dumm, find’st net?”
“Aber ich möcht Dir nicht zur Last fallen.”
“Mach Dir darüber keine Sorgen, mein Kind. Ich freu mich, wenn Du hier bist bei mir. Wart einmal….”
Sie stand auf und ging aus dem Zimmer. Mitzi hörte wie Gertrud Schubladen und Schranktüren öffnete und wieder schloss. Schließlich kam sie mit einem recht mitgenommen aussehenden Telefonbuch zurück.
“Ein Telefonbuch”, stellte Mitzi fest. “Mein Gott, so etwas besitzt Du noch?”
Gertrud setzte sich an den Tisch und fing an zu blättern. “Natürlich”, sie sah kurz auf. “Wie bitte schön soll ich denn sonst Telefonnummern finden?”
“Internet?”, sagte Mitzi, aber Gertrud hörte sie nicht. Sie war völlig vertieft ins Telefonbuch.
“Was suchst Du denn?”
“Wie hieß es denn noch gleich? Hier ganz in der Nähe gibt es ein Grandhotel. Ein großer Bunker, eigentlich hässlich, aber immer illustre Gäste. Mensch, jetzt will mir der Name einfach nicht einfallen.”
Mitzi trank noch einen Schluck Rotwein und sah sich in der Wohnung um. Sie war recht klein, unwahrscheinlich, dass hier mal Kinder gewohnt hatten. Es war die klassische Bleibe einer alleinstehenden Frau. Kleiner Tisch in der Küche, zwei Stühle, im Wohnzimmer ein Haufen Regale mit Büchern und ein Ein-Meter-Zwanzig-Bett im Schlafzimmer. Und eine kleine Kammer für Übernachtungsbesuch.
“Da, da ist es”, rief Gertrud plötzlich und zeigte mit dem Finger ins Telefonbuch. “Das hab ich gesucht: Es heißt Grandhotel Herz!”
Hier geht’s zu Folge 8 von “Grandhotel Herz”.
Grandhotel Herz, Folge 7; ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.
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