Olivenzweige, Folge 7

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Ach Gott, ach Gott, ach Gott . . .  Da bricht mir ja das Herz. Yves ist ein guter, offenbar DER gute Mann schlechthin. Und Hèlene will ihn nicht. Wahrscheinlich hat sie es vor lauter Arbeit noch nicht bemerkt. Mal sehen, ob sie jetzt zur Vernunft kommt.

Yves saß auf einem Plastikstuhl vor dem Untersuchungsraum. Vinoth Chandar, "My little red chair", Some rights reserved, Quelle: www.piqs.de
Yves saß auf einem Plastikstuhl vor dem Untersuchungsraum.
Vinoth Chandar, “My little red chair”, Some rights reserved , Quelle: www.piqs.de

Yves saß auf einem wackeligen Plastikstuhl vor dem Untersuchungsraum. Es musste Stunden her sein, dass die Rettungssanitäter Hèlene dorthin gebracht hatten. Alles war rasend schnell gegangen, Yves hatte sich hin- und hergeschubst gefühlt zwischen Arzt und Helfer, zwischen Plastikkanülen und Atmungsgeräten, zwischen all den Dingen, die plötzlich auf dem Rasen gelegen hatten. Ohne zu fragen, hatten sie ihn mitgenommen im Rettungswagen und jetzt saß er hier, mitten in der Nacht und mutterseelenallein auf diesem elend langen Gang, wo selten ein Mensch vorbeikam.

Er hatte sofort den Notarzt angerufen als er Hèlene gefunden hatte. Er hatte ja nicht gewusst, wie lange sie schon da gelegen hatte. Yves hatte sich auf den Rasen gesetzt und ihren Kopf in seinen Schoß gebetet. Die ganze Zeit hatte er ihr Haar gestreichelt und ihr gut zugeredet. Angst hatte er seltsamerweise überhaupt nicht gehabt. Nein, er hatte es genossen, dass er Hèlene einmal ganz für sich hatte. Er war froh gewesen, dass er sie gefunden hatte und ihr so ein weiteres Mal hatte helfen können.

Erst als der Arzt gekommen war und Yves seinen besorgten Blick gesehen hatte, war er nicht mehr ganz so zuversichtlich gewesen. Er hatte dem Arzt erzählt, dass Hèlene sich seit einiger Zeit schwach gefühlt und immer wieder über Schwindel geklagt hatte. Der Arzt hatte nur genickt und auf Yves vorsichtige Frage “Was hat sie denn?” nicht geantwortet. Diese Frage stellte er sich jetzt immer noch, mehrere Stunden später, in denen er nichts anderes getan hatte als zu warten.

Yves war vor einem Jahr in das kleine Örtchen Salot in der Provence gekommen, um ein neues Leben anzufangen. Die Ruhe der Provence, so hatte er sich gedacht, würde ihm helfen, zu sich selbst zu finden. Zehn Jahre lang hatte er im elterlichen Verlag gearbeitet, 70 Stunden die Woche hatte er im Büro verbracht, hatte die Sturheit und die Unbelehrbarkeit seines alten Herrn ertragen – und am Ende festgestellt, dass ihm das alles überhaupt nichts gab. Daraufhin hatte er beschlossen, Paris zu verlassen, hatte nichts mitgenommen außer dem alten Porsche und war gen Süden gefahren. In Salot hatte er angehalten, um die Lavendelfelder und die Olivenhaine zu bewundern. Er hatte das Haus gesehen und es sofort gekauft.

Seitdem verbrachte er seine Tage damit, an Hèlene zu denken und sich vorzustellen, sie wären ein Paar. Er ging ihr zur Hand, wenn Not am Mann  war, ansonsten verhielt er sich zurückhaltend. Er wollte nicht aufdringlich erscheinen, denn er wusste ja, dass Hèlene seine Gefühle nicht erwiderte. Das hatte sie ihm relativ schnell klar gemacht und auch dafür liebte er sie.

“Monsieur Cariol?” Yves war völlig in Gedanken versunken. Er hatte gar nicht bemerkt, dass ein Arzt aus dem Untersuchungsraum getreten war.
Yves stand auf. “Nein, mein Name ist Yves LeGrand.”
“Sind Sie ein Angehöriger, Monsieur LeGrand?”
“Nein, ich bin der Nachbar. Ich habe sie gefunden.”
“Ist kein Angehöriger von Madame Cariol hier?”
“Nein”, antwortete Yves. “Sie hat nur einen Bruder. Und wo der sich aufhält, kann ich Ihnen im Moment nicht sagen. Was ist mit Madame Cariol?”, fragte er besorgt.
“Das darf ich nur den Angehörigen mitteilen”, sagte der Arzt.
“Hören Sie, Docteur”, sagte Yves. “Madame Cariol und ich stehen uns sehr nahe. Ich bin mir sicher, dass . . .”

“Monsieur”, unterbrach ihn der Arzt. “Ich kann Sie verstehen, aber ich darf nur mit Angehörigen sprechen. Bitte bringen Sie den Bruder von Madame Cariol hierher. Und zwar so schnell wie möglich. Madame Cariols Zustand ist äußerst ernst.”

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Olivenzweige, Folge 7; ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.

Eine Antwort

  1. Ach, du machst ja was mit uns…

    Ich wünsche mir, dass sie merkt, dass sie Yves liebt

    Sue

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