Gute Freunde sind ne Klasse Sache, sag ich immer. Helène hat wirklich Glück, dass sie Yves hat und er die Verantwortung für die Olivenbäume übernommen hat. Sonst würde sie alt aussehen. Lest weiter, dann wisst Ihr warum!
Als Yves an diesem frühen Morgen zum Gut zurückkehrte, stellte er sofort fest: Er kam keine Minute zu früh. Eine aufgebrachte Menge drängte sich um das große Tor, die Leute schimpften und hoben die Fäuste.
“Ja, da könnt Ihr es mal wieder sehen! So vertrauenswürdig sind die Cariols. Ha! Das ist nicht lache. Hinhalten wollen sie uns, mürbe machen. Deshalb lassen sie uns warten.” Es war Horace. Wie Yves schon vermutet hatte, nutzte der alte Querulant die Situation geschickt für seine Zwecke aus. Er wiegelte die Leute gegen Helène auf und machte Stimmung. Was er letztendlich damit erreichen wollte, war Yves nicht klar. Sicher war nur, dass er nicht zulassen durfte, das Horace die Arbeiter auf seine Seite zog. Egal, ob die Leute zu hohe Löhne fordern, oder ob sie dem Gut gleich den Rücken kehren würden – in Schwierigkeiten würden sie Helène damit auf jeden Fall bringen.
“Halt! Stopp!” Yves lief an der Menge vorbei, schnappte sich eine Holzkiste vom Stapel, ging nach vorne und stellte sich darauf.
“Ruhe, Leute. Ruhe, beruhigt Euch. Es ist alles in Ordnung.”
“Was? Nichts ist in Ordnung”, rief einer der Männer. Offenbar hatte Horace ganze Arbeit geleistet. “Seit einer geschlagenen Stunde stehen wir hier herum. Ihr glaubt wohl, Ihr könnt Euch alles erlauben, he?”
“Helène Cariol liegt im Krankenhaus”, fuhr Yves fort. “Es geht ihr nicht gut. Wir wissen nicht einmal, ob sie jemals wieder bei der Ernte mithelfen kann. Ich habe ihr versprochen, mich um alles zu kümmern, bis sie wieder auf den Beinen ist.”
“Pah! Ausgerechnet Du, Yves!” Das war Horace. “Niemand weiß, wo Du herkommst und wer Du bist. Um alles machst Du ein Geheimnis und jetzt sollen wir Dir plötzlich trauen. Nein, so einfach ist das nicht.”
“Doch, so einfach ist das!” Yves war wütend geworden. “Wir hier auf dem Gut brauchen Erntehelfer und Ihr könnte jeden zusätzlich Franc gut gebrauchen. Das ist die Wahrheit und um die kommst auch Du nicht herum, Horace.” Yves wandte sich an die Menge. “Oder wollt Ihr, dass ich fremde Arbeiter anheuere? Häh? Das ist gar kein Problem, aus Polen und Rumänien kommen sie gerne hierher. Stellen keine Ansprüche und tun, was man ihnen sagt. Keine schlechte Lösung. Ihr müsste es mir nur sagen und ich greife zum Telefonhörer.”
Die Menge schwieg betreten. Die meisten hatten die Köpfe gesenkt und schauten verlegen auf ihre Schuhspitzen. Natürlich wussten sie, dass Yves recht hatte. Sie brauchten das Geld und zwar dringend. Als kleiner Bauer verdiente man heutzutage nicht mehr genug, um davon leben zu können. Die Olivenernte half ihnen jedes Jahr, besser über die Runden zu kommen.
“Nee, is ja schon gut”, raunte eine Frau, die ganz vorne stand.
“War ja nicht so gemeint”, sagte ein anderer. “Horace, der alte Hitzkopf macht uns gar irre mit seinen Ideen.”
“Also gut”, sagte Yves. “Wenn wir uns einig sind, kann es ja losgehen. Kommt nach vorne zu mir, damit ich Eure Namen notieren kann. Dann nehmt Euch eine Kiste und fangt an.” Yves setzte sich an den kleinen Tisch, in der Nähe des Tores. “Und Du Horace”, sagte er, “kannst gerne auch mitmachen.”
“Einen Teufel werde ich”, sagte Horace, wandte sich um und ging davon.
Hier geht’s zur Folge 12 von “Olivenzweige”
Olivenzweige, Folge 11; ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.
Eine Antwort
sue
Hallo,
ja , so einen guten freund kann jeder gebrauchen. Na, mal sehen, was Horace im Schilde führt, da kommt noch was , oder?!
LG Sue