Wenn Frauen hassen! Und nachtragend sind! Dann Obacht! Denn, dass diese Damen keine Verwandten mehr kennen, muss jetzt auch Georg erleben. Und dabei ist er doch so ein Guter, prinzipientreu und ritterlich. Das hat er nicht verdient, oder? Lest am besten, wie’s weitergeht.
Georg erschrak. So hatte er Ingrid noch nie erlebt. All ihr Charme, ihre Fröhlichkeit waren schlagartig verschwunden. Sie starrte ihn unverwandt an. Dann drehte sie sich ohne ein Wort um und ging zur Stalltür. Der junge Graf wusste nicht, was er sagen sollte. “Ingrid”, rief er. Aber Ingrid von Kessel würdigte ihn keines Blickes, hocherhobenen Hauptes ging sie geradewegs zur Tür. Im Stall war es mucksmäuschenstill. Offenbar merkten auch die Pferde, dass hier Dinge von großer Tragweite vor sich gingen. “Ingrid, so warte doch”, Georg lief ihr hinterher. “Ingrid. Das musst Du doch verstehen.” Ingrid stand in der geöffneten Tür. “Nein, Georg. Das verstehe ich nicht. Ich verstehe nicht, warum Du mich abweist. Aber eines weiß ich. Das wirst Du mir büßen.” Ingrid hob die Augenbrauen. “Ich kann sehr nachtragend sein. Und was das bedeutet, wirst Du bald zu spüren bekommen.” Sie knallte Georg die Tür vor der Nase zu. Der junge Graf lehnte sich gegen eine Pferdebox. Mein Gott, dachte er. Was hatte er nur getan?
Georg kannte Ingrid schon sehr lange. Er wusste, dass sie ausgesprochen eitel war und eine Zurückweisung wie diese musste sie tief treffen. Das war ihm klar. Es ging nicht um Zuneigung oder gar Liebe, es ging einzig und allein um Narzissmus. Ingrid liebte niemanden außer sich selbst und sie ging automatisch davon aus, dass andere genauso empfanden. Wahrscheinlich war er der erste Mann in ihrem Leben, der ihr nicht verfallen war. Das hatte er ihr auch immer zu verstehen gegeben, aber Georg wusste jetzt, dass genau dieses Verhalten Ingrids Jagdinstinkt erst befeuert hatte. Wie groß musste ihre Enttäuschung jetzt sein? Der junge Graf öffnete die Stalltür und sah Ingrid auf dem Kiesweg, wie sie an einer geöffneten Autotür lehnte und sich mit dem Fahrer unterhielt. Offenbar sprach sie mit seinem Vater, zumindest gehörte der Mercedes Graf Hasso. Ingrid lachte laut und warf den Kopf in den Nacken. Konnte es möglich sein, dass sie mit seinem alten Herrn flirtete? Ingrid kannte keine Skrupel, das war ihm klar. Was mochte sie Graf Hasso erzählen? Wie zufällig sah Ingrid zum Stall herüber und winkte Georg zu. War ihr Gesichtsausdruck triumphierend oder bildete sich Georg das nur ein? Da schlug die Autotür zu und der Wagen fuhr los. Kleine Kiesel spritzen, als Graf Hasso Gas gab. Ingrid wandte sich ab und ging ins Haus. Ihr Hüftschwung hatte nichts von seiner Klasse verloren.