Liebe auf Gut Ihringheim, Folge 18

Hallo meine Lieben, draußen schneit es und in unserer Geschichte laufen alle Vorbereitungen zu einem Sommerfest. Eigentlich blöd, oder? Aber ein Groschenroman soll ja nichts anderes sein als eine Träumerei und da darf es im Winter schon mal Sommer sein. Finde ich. Angelika jedenfalls ist fest entschlossen, sich Georg zu offenbaren. Was sie jetzt nur noch braucht, ist ein entsprechendes Kleid.

Schöne Roben, aber wohl kaum das richtige Outfit für Angelikas großen Auftritt.

Die Türglocke bimmelte leise, als Angelika den Laden betrat. Die junge Tierärztin sah sich um. Das Geschäft war mehr als gediegen, heller Teppichboden, mahagonifarbene Regale, überall Kleiderständer mit herrlichen Ballroben. Aus unsichtbaren Lautsprechern drang gedämpfte Musik. Vivaldi, Puccini? Angelika hörte genauer hin. Nein, es war Dvorak, die Sinfonie aus der Neuen Welt, Angelikas Lieblingsstück. Klassische Musik hatte ihr immer viel bedeutet, das war eine der wenigen Gemeinsamkeiten, die sie mit ihrer Mutter hatte.

Angelika musste bei dem Gedanken an ihre Mutter unwillkürlich lächeln. Welche Überwindung es sie gekostet hatte, sie anzurufen und zu fragen, was sie zum Sommerfest der von Ihringheims anziehen sollte. Einige Male hatte sie die Telefonnummer der Eltern gewählt und wieder aufgelegt. Warum konnte sie diese Entscheidung nicht selbst treffen, hatte sie sich gefragt. Ein Sommerfest war eine legere Angelegenheit, ein Besuch dort bedurfte keiner größeren Vorbereitung, hatte sie sich gesagt. Irgendwo in ihrem Schrank würde sich schon noch eine passende weiße Hose und ein Blüschen finden. Doch schon während sie in ihren Schubladen kramte, war ihr klar geworden, dass das Sommerfest auf dem Gestüt ganz sich nicht so locker war wie eine Studentenparty. Angelika erinnerte sich an die Feste zu Hause im Schloss. Sie hatte mit ihren Eltern und ihrem Bruder nur einen kleinen Teil des Anwesens bewohnt, aber wenn ihre Familie ein Fest gab, dann war das ganze alte Gemäuer aufgemöbelt worden, die Gästezimmer gerichtet und gelüftet, Räume, die sonst nie jemand betrat, waren für kurze Zeit bewohnt. Das Schloss war dann nicht wiederzuerkennen. Überall wimmelte es von Personal, von Leuten, die sie vorher nie gesehen hatte. Und es kam mehr als einmal vor, dass ihr Vater vor lauter Nervosität seine Schuhe verwechselte. Nur ihre Mutter, die blieb während all dieser Aufregung die Ruhe selbst. Sie hatte alles im Griff, dirigierte, wies an, lobte, kritisierte und verlor nie die Contenance.

“Kann ich Ihnen helfen, meine Liebe?” Die Frage der Verkäuferin riss Angelika aus ihren Gedanken. “Äh, ja, gerne”, stammelte sie. “Ich brauche ein Kleid für ein Sommerfest.” “Wunderbar”, sagte die Verkäuferin, eine Frau im Alter ihrer Mutter, sehr gepflegt, schlank, im schwarzen Einteiler. “Es gibt doch nichts Schöneres als die herrlichen Sommernächte zu feiern.” Sie lächelte und zeigte makellose Zähne. Alles passte perfekt: das Geschäft, die Verkäuferin, die Kleider. Angelika fühlte sich unwohl, wusste nicht so recht, wohin mit ihren Händen. Ihre alten Jeans und der abgewetzte Rucksack waren ihr plötzlich peinlich. “Bitte entschuldigen Sie meinen Aufzug”, hörte sie sich sagen. “Aber ich mache gerade Urlaub auf einem Reiterhof und habe keine passende Garderobe im Koffer.” Sie log und das erschreckte sie sehr. Noch nie hatte sie sich für das Leben  geschämt, das sie jetzt lebte und das sie selbst gewählt hatte. Im Gegenteil, sie war immer so stolz gewesen, dass sie ihr Fürstentochterdasein hinter sich gelassen hatte und nun völlig auf eigenen Füßen stand. Aber hier, in diesem Geschäft, fühlte sie sich zurückversetzt in ihre Kindheit und hin- und hergerissen zwischen Abscheu und Freude. Sie würde Georg wiedersehen und dieses Mal, so hatte sie sich fest vorgenommen, würde sie ihn nicht mehr so schroff behandeln. Nein, sie wollte ihm zeigen, was er ihr bedeutete, sie hatte vor, ihn zu beeindrucken. Angelika wischte allen Unbill beiseite, straffte die Schultern und sah der Verkäuferin direkt in die Augen: “Das Kleid muss atemberaubend sein”, sagte sie.

Das war Folge 18. Ich hab keinen Zweifel daran, dass Angelika das passende Outfit für die Verwirklichung ihres Plans findet, Ihr etwa?

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2 Antworten auf Liebe auf Gut Ihringheim, Folge 18

  1. Bea sagt:

    Ich auch nicht. Das wird ein atemberaubendes Fest! Freue mich schon auf die nächste Folge.

  2. Ja, liebe Carola, was hast Du denn für einen süßen, besonderen und coolen Blog? Das ist ja mal was ganz anderes und so toll schreiben kannst Du auch noch!

    Herzlichen Glückwunsch zu Deiner Phantasie und da eh so gerne lese werde ich jetzt öfter bei Dir reinschauen.

    Nochmals vielen lieben Dank für Deinen außerordentlich netten Kommentar auf meinem Blog.

    Ganze viele liebe Grüße von Rena

    http://dressedwithsoul.blogspot.de/

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