Paff, das hat gesessen! Ingrid hat sich mal wieder im Ton vergriffen – und merkt es nicht mal. Der arme Georg, schluchz… Aber lest selbst, wie es weitergeht.
Gott sei Dank, der Morgen graute. Georg strecke sich und gähnte laut. Wie sollte er nur den Tag überstehen? Die vielen Gäste, das große Fest, all die Aufregung. Er hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Ingrids Worte hatten ihn so tief getroffen. Er wusste nicht, ob er ihr das verzeihen konnte. Gut, sie war oberflächlich und offenbar zu tieferen Gefühlen nicht fähig. Aber ihre Ausdrucksweise, der Ton, in dem sie gesprochen hatte, das war zu viel gewesen. Georg hatte den Abend mühevoll überstanden, das Gesicht gewahrt, obwohl er so wütend, traurig und genau genommen den Tränen nahe war. Ingrid hatte geplappert, wie es eben ihre Natur war und hatte gar nicht gemerkt, wie weh sie ihm getan hatte. Georg war sich sicher, dass Ingrid ihre Worte nicht mit Absicht gewählt hatte. Sie waren ihr rausgerutscht. Ingrid hatte noch nie Verständnis für seine Liebe zu Maria gehabt und jetzt schon gar nicht mehr, nachdem Maria schon so lange Zeit tot war. Ingrid hatte Maria langweilig gefunden und daraus kein Hehl gemacht. Selbst am Tag der Hochzeit hatte sie noch versucht, Georg umzustimmen. Ingrid konnte Niederlagen nur sehr schwer akzeptieren. Und Georgs Hochzeit mit Maria war für sie eine schwere Niederlage gewesen. Sie selbst hätte Georg zu gerne geheiratet, groß, gutaussehend und wohlhabend wie er war. Für Ingrid spielte es keine Rolle, ob zwei Menschen dieselben Interessen teilten oder ob sie in inniger Verbundenheit zueinander standen. Für sie war es wichtig, dass der Mann an ihrer Seite ihr eigenes Image aufpolierte. Im Grunde suchte sie einen Mann zum Angeben, mit dem sie ihre Freundinnen beeindrucken konnte. Seit Maria tot war, hatte Ingrid immer wieder den Kontakt gesucht, immer wieder war sie ganz plötzlich aufgetaucht oder hatte ihn eingeladen. Er hatte nie angenommen und ihr stets klar gemacht, dass sie niemals die Frau war, die Maria ersetzen könnte. Aber Ingrid hatte nicht locker gelassen und bestimmt würde sie das Sommerfest nutzen, um einen weiteren Versuch zu unternehmen.
Georg stand auf und trat ans Fenster. Als er die Vorhänge aufzog, strahlte ihm die Junisonne ins Gesicht. Schon als kleiner Junge hatte er dieses Zimmer im Ostflügel des Hauses geliebt. Seine Mutter hatte ihm vorgeschlagen, in dieses Zimmer zu ziehen. “Es gibt nicht Schöneres als die frische Morgensonne, die einen neuen Tag erhellt”, hatte sie gesagt. Und Georg war ihr dankbar dafür. Wie viele schlimme Nächte hatte er hier schon verbracht, aber wenn die Sonne aufging und in sein Zimmer schien, waren alle Sorgen nur noch halb so groß. “Was wohl Angelika macht?”, fragte sich Georg plötzlich. Ob sie auch die Morgensonne sehen konnte? War sie tatsächlich weggefahren übers Wochenende, hatte sie tatsächlich etwas anderes vor? Georg sah einem Schwarm Vögel nach, der über den Garten flog und er versuchte, die trüben Gedanken beiseite zu schieben. Heute war das Sommerfest, das Ereignis des Jahres auf dem Gestüt. Und dieses Jahr hatte es sogar noch eine besondere Bedeutung: Die Trauer auf Gut Ihringheim war vorbei, man feierte wieder, man war wieder guter Laune. Und daran wollte sich Georg nun halten. Er ging ins Bad.
So ist’s recht, oder?
Bin diesmal etwas spät dran. Ja, jetzt kommt die Sache langsam in Schwung. Bin gespannt auf mehr!