Eingetauscht zu werden gegen eine kleine Pummelige mit unelegantem Aussehen – das ist schon irgendwie blöd. Vielleicht kapiert es Lisa jetzt und eine Heilung steht kurz bevor. Mal sehen, wie’s weitergeht.
“War das etwa Nicolai?” Gitta sah erschrocken aus, als Lisa auf den Platz kam.
“Ja, das war er.”
“Oh! Das tut mir Leid, Schatz. Vielleicht wäre ein Ausflug in die Stadt doch die bessere Ablenkung gewesen.”
“Ist schon in Ordnung, Mama. Ich werde ihm sicherlich noch öfter begegnen in der nächsten Zeit. Da kann ich nicht jedes Mal davon laufen.”
“Und was hat er gesagt?”
“Er hat mir seine Frau vorgestellt. Beatrice.”
“Die kleine, dicke, das ist seine Frau?” Gitta äußerte ihre Verwunderung ein bisschen zu laut.
“Pst!! Mama, er muss doch nicht gleich hören, dass wir über ihn sprechen.”
“Aber, aber wie konnte er Dich verlassen und dann diese . . . heiraten? Bist Du sicher, dass er damals ganz bei Sinnen war?”
“Ich habe keine Ahnung”, antwortete Lisa. “Und es interessiert mich auch nicht.”
“Pah, das ist glatt gelogen. Natürlich interessiert es Dich. Genau genommen ist das die einzige Frage, die Dich je interessiert hat.”
“Ja, ja, stimmt schon.”
Lisa schaute hinüber zu Nicolai und sah gerade noch, wie er einen gezielten Cross ins rechte Eck seiner Partnerin spielte. Unerreichbar. Im Jubel riss er die Arme hoch und drehte sich zu ihr um. Als er sah, dass sie ihn beobachtete, blieb er einen Moment reglos stehen, dann winkte er ihr lächelnd zu. Ja, dachte sie, so war er. Immer nahm er die Dinge leicht, ihn schien es gar nicht zu stören, dass sie neben ihm Tennis spielte, nach zehn Jahren, in denen sie sich nicht gesehen hatten. Er war fröhlich wie eh und je und das war eine der Eigenschaften, für die sie ihn so sehr geliebt hatte. Die Welt konnte untergehen, Nicolai hatte ein Lächeln auf den Lippen. Lisa wandte sich ab, nahm Bälle und Schläger und ging auf ihre Position.
“Ich hab schon so lange nicht mehr gespielt”, rief ihre Mutter. “Ich weiß gar nicht, ob ich’s noch kann.”
Lisa spielte den ersten Ball und Gitta retounierte gekonnt. “Frage beantwortet”, sagte Lisa. “Das war super, Mama.”
Sie spielten länger als eine Stunde, Lisa drosch die Bälle übers Netz als ging es um ihr Leben. Hin und wieder warf sie einen Blick auf den anderen Platz, aber Nicolai schien keine Notiz mehr von ihr zu nehmen. Und irgendwann waren er und Beatrice verschwunden und andere Leute hatten den Platz in Beschlag genommen.
“Mein lieber Mann, Lisa. Du hast mir die Bälle ganz schön um die Ohren gehauen! Mir ist hören und sehen vergangen”, sagte ihre Mutter als sie beide völlig erschöpft auf der Bank saßen und ihre Wasserflaschen leerten.
“Tennis ist Sport, Mama. Und keine Schwangerschaftsgymnastik. Auch nicht in Deinem Alter.”
Gitta musste lachen. “Da hast Du wohl recht. Und deshalb bestehe ich auf einer Revanche. Morgen?”
“Ok”, sagte Lisa und schlug ein.
Sie schulterten die Taschen, gingen zum Parkplatz zurück und stiegen ins Taxi, das schon auf sie wartete.
“Du solltest Nicolai anrufen”, sagte Gitta nach einer Weile.
Lisa antwortete nicht, sah nur, wie die Landschaft am Fenster vorbeiflog.
“Lisa?”, die Mutter rüttelte sie am Arm. “Das ist vielleicht die letzte Gelegenheit, Dich mit ihm auszusprechen.”
Lisa sagte immer noch kein Wort.
“Es könnte heilsam sein.”
Jetzt sah Lisa ihre Mutter an. Vielleicht hatte sie tatsächlich recht. Es war Zeit, ihren Kummer zu beenden. Sie hatte schon zu lange getrauert, sich zu lange das Hirn zermartert, sich zu lange ohne Erklärung zufrieden gegeben. Es stimmte. Damit musste jetzt Schluss sein!
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Im Fjord der Liebe, Folge 9; ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.
2 Antworten
bea
Tja, ich kann mich Sue nur anschließen. Bin auch schon sehr gespannt, wie es weiter geht. Aber dieser Nikolai scheint mir etwas zu sorglos zu sein. Hatte er wirklich einen trifftigen Grund? Wir werden sehen!
sue
Die Mutter ist herrlich.
Na, auf das Gespräch mit Nikolai bin ich gespannt!!! Und was das mit der Ehefrau von ihm noch wird? Hat die ihn in der Hand? Ich will ja nicht vom äußeren auf den Menschen schließen, denn der Charakter zählt! Nun, ich bin gespannt!!!
LG Sue