Jetzt ist es also passiert, Lisa hat ihre große Liebe wiedergetroffen und ist am Boden zerstört. So kann’s gehen. Manchmal sind solche Treffen aber auch ganz heilsam . . .
“Lisa?” Es war Gitta, die an die Tür klopfte. “Lisa, komm mach auf! Du kannst Dich doch nicht die ganze Zeit einschließen.”
“Geh weg, Mama. Lass mich allein!”, rief Lisa durch die geschlossene Tür.
“Du bist jetzt seit gestern Nachmittag in diesem Zimmer. Hast nicht zu Abend gegessen und das Frühstück ausgelassen. Kind, das ist nicht gesund.”
“Lass mich einfach in Ruhe.” Lisa stand am Fenster ihres Schlafzimmers und starrte hinaus aufs Wasser. Sie hatte die Kammer seit Nicolais Besuch nicht mehr verlassen, hatte die ganze Nacht auf dem Bett gelegen und kein Auge zu getan.
Was hatte er sich dabei gedacht? Warum musste er hier auftauchen und sie in solche Verwirrung bringen? Ihre alten Gefühle waren sofort wieder da gewesen waren, kaum, dass sie Nicolai gesehen hatte.
“Lisa, bitte!” Ihre Mutter konnte hartnäckig sein, das wusste Lisa. Es würde keinen Sinn haben, sie wegzuschicken. Sie würde vor der Tür stehenbleiben. Wenn es sein musste, bis zum Sanktnimmerleinstag.
“Gut, komm rein”, sagte Lisa und öffnete die Tür.
“Oh”, sagte ihre Mutter beim Eintreten, “ich glaube, Du solltest mal lüften.” Sie riss das Fenster auf. Die kühle Luft tat Lisa gut. “So, und nun erzähl mal. Was ist denn passiert?” Gitta setzte sich zu Lisa aufs Bett.
“Nicolai war da.”
“Ja, das hat Papa erzählt.”
“Also, warum fragst Du dann?”
Gitta überhört Lisas Vorwurf. “Und der Besuch hat Dir so zugesetzt, dass Du seit zwölf Stunden in Deinem Zimmer hockst?”
Lisa sagte nichts. Die Fragerei ihrer Mutter ging ihr auf die Nerven. Obwohl sie froh war, dass sie endlich mit jemandem sprechen konnte.
“Kind, Du liebst ihn immer noch!”
“Ja.” Mehr konnte Lisa nicht sagen, denn das war schlicht und einfach die Wahrheit.
“Und Brad?”
“Ach, Brad! Brad ist ein netter Kerl, aber das ist auch alles. Er war eben hartnäckig und ich war allein. Brad ist ein Filmstar, den weist man nicht einfach zurück!”
“Naja, das seh’ ich ein bisschen anders.” Lisa wusste, dass ihre Mutter Integrität über alles stellte und in diesem Punkt wenig Kompromissbereitschaft zeigte.
“Andererseits kannst Du Nicolai nicht ewig nachtrauern. Du musst nach vorne schauen.”
“Das hab ich ja versucht!” In Lisas Stimme trat Verzweiflung, sie wurde lauter. “Aber es ist, als wäre mein Herz aus Stein.” Sie warf sich in die Kissen und ließ ihren Tränen freien Lauf. Sie schluchzte hemmungslos und es kam ihr vor, als weinte sie all die ungeweinten Tränen der letzten zehn Jahre. Ihre Mutter legte ihr die Hand auf den Rücken und sprach beruhigend auf sie ein.
“Manchen Menschen begegnet die Liebe nur einmal im Leben”, sagte sie. “Und dann sind sie verloren.”
“Ja, genauso fühle ich mich.”
“Ich denke, Du solltest noch einmal mit Nicolai sprechen.”
“Was?” Lisa fuhr hoch. “Das schaffe ich nicht.”
“Was schaffst Du nicht?”
“Ihm gegenüberzustehen. Ich will doch endlich von ihm loskommen.”
“Aber vielleicht würde das gelingen, wenn er Dir endlich die drängenden Fragen beantworten würde. Es wäre doch sehr hilfreich zu wissen, warum er die Sache zwischen Euch so abrupt beendet hat, oder nicht?”
“Doch, natürlich”, sagte Lisa leise und ließ den Kopf hängen.
“Ruf ihn an, triff Dich mit ihm. Und stell ihm all die Fragen, die Dich über die Jahre gequält haben. Wer weiß, wie die Antworten lauten? Du kannst sicherlich besser abschließen, wenn Du seine Gründe kennst.”
Lisa sah ihre Mutter an, das vertraute Gesicht. Sie hatte immer die Ruhe weg, wusste immer, was zu tun war. Auch jetzt, nach der Diagnose ihres Vaters, verlor Gitta nicht die Nerven und hielt die Familie zusammen. Ohne Mühe, so schien es. “Ach Mama”, sagte Lisa und sank in die Arme ihrer Mutter.
“Meine beiden Mädchen”, flüsterte Gitta und streichelte Lisas Haar. “Ihr seid grundverschieden. Trixi hat es so viel leichter als Du. Sie macht sich keine Gedanken und lebt einfach in den Tag hinein.”
“Ja, aber das kann ich nicht”, sagte Lisa.
“Ich weiß.” Gitta sah ihre Tochter an. “Du, ich hab eine Idee”, sagte sie. “Wie wäre es, wenn wir beide uns jetzt umziehen und auf den Tennisplatz gingen. Ein bisschen Sport würde Dir sicher guttun. Ha, ha, und mir im Übrigen auch. Ob Ole das kleine Café auf dem Tennisplatz noch betreibt? Da könnten wir nach dem Match etwas trinken und die Sonne genießen. Hm? Was meinst Du? Es ist so ein schöner Tag.”
“Ok”, sagte Lisa. Sie wusste, wenn ihre Mutter die Unternehmungslust packte, gab es kein Halten mehr. “Ich bin gleich fertig.”
Hier geht’s zur Folge 8 von “Im Fjord der Liebe”
Im Fjord der Liebe, Folge 7; ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.
Eine Antwort
bea
Hallo, liebe Carola, heute gehts mir wieder besser und ich habe die letzten Folgen, des letzten Groschenromans und alle des neuen in einem Rutsch gelesen. Sehr schön. Der neue gefällt mir auch wieder sehr gut. Wo nimmst Du bloss immer Deine Ideen her? Bin gespannt, wie es weiter geht. LG Bea