Lisa wagt sich wirklich in die Welt des Großunternehmertums. Mörk Industries klingt gut, nach Geld, Luxus und Understatement. Mal sehen, ob der alte Mörk wirklich so schwierig ist, wie alle sagen. Oder vielleicht ist er ja ganz nett. Wer weiß?
“Ich mag keine Publicity. Dass wir uns gleich richtig verstehen.” Harald Mörk ließ sich in den großen Sessel fallen, der hinter seinem Eichenschreibtisch stand. Das Büro war dunkel, auch hier alles mit Holz getäfelt, der Teppich braun. Hinzukamen die heruntergelassenen Jalousien, durch die das Licht nur spärlich ins Zimmer drang.
“Es geht mir nicht um Publicity”, sagte Lisa. “Es geht mir allein um die Information meiner Leser. Mörk Industries ist der weltgrößte Produzent von Containerschiffen, da ist es doch selbstverständlich, dass eine Änderung in der Unternehmensstruktur die Öffentlichkeit interessiert, oder?”
Lisa stand mitten im Raum. Der alte Mörk hatte ihr keinen Platz angeboten. Offenbar legte er zwar Wert auf sein Äußeres, Etikette aber schien ihm egal zu sein.
“Welche Änderung in der Unternehmensstruktur?” Harald Mörk lehnte sich nach vorne über seinen Schreibtisch. Eine bedrohliche Geste, wie Lisa fand.
“Nach dem bedauerlichen Tod ihres ältesten Sohnes ist ja nun ein neuer Mann am Steuer.”
“Der ist auch nicht besser als der alte.” Mörk lehnte sich wieder zurück. “Alles Versager”, sagte er. “Alle drei totale Versager.”
“Sprechen Sie von Ihren Söhnen?”
“Klar, Mann. Von wem denn sonst? Da hat man schon das Glück als Mann auf die Welt zu kommen und der liebe Gott schenkt einem auch noch drei Söhne – was kann man mehr wollen vom Leben? Hä? Was?”
Lisa blieb stehen wo sie war und schwieg.
“Und dann sind sie alle drei komplette Nichtsnutze. Der Älteste verhätschelt von der Mutter, der Zweite bescheuert und dem Dritten wird irgendwann eine seiner Frauengeschichten zum Verhängnis. Was soll ich mit diesen Typen anfangen, frage ich Sie?”
“Heißt das, dass Sie Ihren Sohn durch einen externen Geschäftsführer ersetzen werden?”
“Das heißt gar nichts, verdammt noch mal”, brüllte der Alte plötzlich. “Ich werde diesen missratenen Drückeberger finden und wenn ich die ganze Welt auf den Kopf stelle. Ich lass mich doch nicht verarschen. Und dann kann er was erleben, das verspreche ich Ihnen!”
Lisa wagte nicht zu atmen. Sprach Mörk etwa von Ole? Hegte er denselben Verdacht wie sie?
“Drückeberger?”, fragte sie vorsichtig.
“Ja, Drückeberger. Erst muss ich ihm die Unternehmensleitung mit einem astronomischen Gehalt versüßen, dann ist er nicht mal in der Lage eine vernünftige Frau zu finden. Auch das muss ich noch für ihn tun. Schreibt Gedichte! Malt Bilder! Pah, das ist doch kein Mann. Das ist doch ein Idiot, ein peinlicher Idiot!” Mörk hatte sich in Rage gebrüllt, sein Gesicht war rot, am Hals traten die Adern gefährlich weit hervor. Er lockerte seinen Hemdkragen und fuhr sich übers Haar. “Was habe ich nur getan, dass Gott mich mit diesem Sohn straft?”
Lisa hätte ein paar Antworten auf diese Frage gewusst, aber sie schwieg. Noch immer stand sie in der Mitte des Raumes.
“Und dann verschwindet er plötzlich im Nichts. Sein Segelbötchen treibt im lauen Wind und alle Welt glaubt, der Matrose sei ertrunken.”
“Und was glauben Sie?”
“Dass er sich verdrückt hat, irgendwohin, wo er meinem Einfluss entzogen ist. Wenn man genau hinschaut, hat ihm sein sauberer Bruder dabei geholfen. Das halte ich für sehr wahrscheinlich.”
“Kann ich mich setzen?” Lisa wurden die Beine schwer. Außerdem wurde ihr mulmig angesichts der Vorwürfe, die Mörk äußerte.
“Ja, ja!” Mörk wedelte genervt mit der Hand als wollte er ein Fliege verscheuchen. Lisa setzte sich auf den Holzstuhl vor dem Schreibtisch.
“Frederik denkt wohl, ich hätte noch nicht gemerkt, dass er jeden Monat eine erkleckliche Summe auf ein Konto in Dänemark überweist. Er glaubt, ich bin senil. Aber da hat er sich geschnitten. Ich hab einen Rechtsanwalt mit der Sache beauftragt. Ich bin ihm ganz dicht auf den Fersen, meinem Herrn Sohn. Hahaha!”
Das Telefon auf dem Schreibtisch brummte leise und Mörk drückte ein Knöfpchen. “Ja?”, sagte er unwirsch. “Ja, ja. Hat man eigentlich nie seine Ruhe, hä? Ich komme ja schon.”
An der Tür drehte er sich noch einmal um. “Ich muss leider weg. Auf Wiedersehen, Fräulein . . . ”
“Kucher”, ergänzte Lisa leise und atmete tief durch. Sie war ganz froh über den plötzlichen Abgang des Alten. Es war alles bestens gelaufen. Und den Namen des Rechtsanwalts, den würde sie auch bald kennen.
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Im Fjord der Liebe, Folge 32; ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.
Eine Antwort
sue
Hi,
du bist einfach genial…mit deinen Ideen.
LG Sue