Oh, oh, oh! So ein Mist! Ob Frederik wirklich mit Alexa . . . ? Ich weiß nicht recht, aber lest selbst, wie die Geschichte weitergeht. Es kommt nämlich ein neuer Verdacht auf. Ein ungeheuerlicher!
“Ich glaube, es wird Zeit, dass wir Norwegen verlassen. Egal, wie schön es hier auch immer sein mag.” Trixi blieb stehen und blickte übers Wasser. “Wir gehen zurück nach Berlin und Du fängst noch einmal ganz neu an.” Sie lachte. “Auch andere Mütter haben schöne Söhne!”
Lisa fand das überhaupt nicht lustig. Seit zwei Tagen hatte sie das heulende Elend. Seit sie aus Frederiks Haus geflüchtet war, fühlte sie ihr Herz als schweren Stein in ihrer Brust. Sie hatte gar nicht gewusst, wie stark ihre Gefühle für Frederik schon gewesen waren. Die Zuneigung, das Bei-ihm-sein-wollen hatte sich langsam angeschlichen, ohne dass sie es gemerkt hatte. Erst die Konfrontation mit Alexa, die erkennbar aus Frederiks Schlafzimmer gekommen war, hatte ihr klar gemacht, dass Frederik für sie viel mehr war als Brad und sogar mehr als Nicolai. Nicolai hatte sie geliebt, weil er ihr gefallen hatte, weil er zur Stelle war, als ihre Fähigkeit zu lieben gerade erblühte. Sie hatte das alles für jene tiefen Gefühle gehalten, von denen in Filmen und Romanen die Rede war. Aber das war ein Irrtum gewesen, das wusste sie jetzt. Nicolai war nichts anderes gewesen als eine Liebelei, in die sie wer weiß was hineingedichtet hatte. Sie hatte sich gefallen in der Rolle der Verlassenen, Leidenden, die die große Liebe ihres Lebens verloren hatte. Dass das Quatsch war, fiel ihr jetzt wie Schuppen von den Augen.
“Wahrscheinlich hast Du recht”, sagte Lisa und setzte den Spaziergang am Strand fort. “Ich sollte Norwegen vergessen. Das Land hat mir bei Gott kein Glück gebracht.”
“Vielleicht kannst Du ja nochmal mit Brad . . .?”, fragte Trixi leise.
“Kommt nicht in Frage”, antwortete Lisa energisch. “Ich mache keine halben Sachen mehr. Brad werde ich anrufen und reinen Tisch machen, sobald ich in Berlin bin. Ich habe ihn schon viel zu lange hingehalten.”
Die beiden Schwestern liefen schweigend nebeneinander her. Die Sonne stand hoch und es war herrlich warm. Eine leichte Brise verstärkte ihre Abschiedsstimmung. “Das ist also unser letzter Sommer in Norwegen”, sagte Trixi. “Wer weiß, wie es Vater im nächsten Jahr gehen wird. Ich denke kaum, dass er noch eine Reise wird unternehmen können.”
“Ist schon traurig, nicht wahr?”, sagte Lisa. “Norwegen hat irgendwie immer zu meinem Leben gehört. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es nicht mehr so sein soll.”
“Fang nicht schon wieder an, Trübsal zu blasen, Schwesterchen! Irgendwann wirst Du noch enden wie Frederiks Bruder.”
“Wieso?”
“Naja, manchmal hab ich schon Angst, dass Du Dich vor lauter Kummer ins Meer stürzt.”
“Mmh”, murmelte Lisa. “Ehrlich gesagt, hab ich meine Zweifel, ob es bei Frederiks Bruder so war.”
“Was meinst Du?”, fragte Trixi und blieb stehen.
“Als wir in Frederiks Haus übernachtet haben und er am Morgen so schnell verschwunden ist, hat er einen Anruf bekommen.”
“Ja, das weiß ich. Von einem Kunden”, sagte Trixi.
“Ich bin mir nicht sicher, ob es ein Kunde war. Der Mann am anderen Ende der Leitung hieß Ole.”
Trixi riss die Augen auf. “Du meinst . . .?”, stieß sie hervor.
“Es ist natürlich ein ungeheuerlicher Verdacht”, antwortete Lisa. “Aber ich werde den Gedanken nicht mehr los.”
“Du glaubst, Ole lebt?”
“Könnte doch sein, oder? Jemand holt ihn in der Nacht vom Segelschiff und bringt ihn an einen unbekannten Ort.”
“Findest Du die Idee nicht ein bisschen weit hergeholt? Warum sollte das jemand tun?”
“Um ihn vor seinem schrecklichen Vater zu schützen, natürlich. Du hast doch gehört, was Hedwig erzählt hat. Ole war kein Geschäftsmann, der Alte hatte ihn gezwungen, die Leitung der Firma zu übernehmen. Und nicht nur das. Sogar die Ehefrau hat er für ihn ausgewählt.”
“Aber inszeniert man deshalb eine solche Show?” Trixi schüttelte den Kopf. “Nein, Schwesterherz, jetzt geht Deine Fantasie mit Dir durch. Den Namen Ole gibt es in Norwegen wie Sand am Meer. Frederik hat bestimmt die Wahrheit gesagt. Es war ein Kunde.”
Lisa sagte nichts mehr. Je mehr sie darüber nachdachte, umso plausibler fand sie ihren Verdacht. Frederik war ein Familienmensch. So sehr er seinen Vater hasste, so sehr liebte er seine Brüder. Knut zu Liebe hatte er das Unternehmen übernommen, warum sollte er Ole nicht auch helfen wollen?
“Nein”, sagte sie. “Ich werde die Tage nutzen, die wir noch hier sind und der Sache nachgehen.”
“Das ist eine gute Idee.” Trixi schlug Lisa auf die Schulter. “Dann bist Du wenigstens abgelenkt.”
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Im Fjord der Liebe, Folge 30; ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.