Da haben wir’s wieder. Manchmal ist eine Schwester gar nicht so schlecht. Sie sagt einem wenigstens die Meinung und setzt einen wieder in die Spur, wenn man ganz daneben ist. Und Trixi hat ja Recht: Mir ist Lisa auch ganz schön auf die Nerven gegangen mit ihrem Dauerleiden. Aber das ist ja nun vorbei und es geht auf zu neuen Ufern!!
Es war noch früh am Morgen als Lisa wach wurde. Sie hatte wunderbar geschlafen, was sie immer tat, wenn sie in Norwegen war. Die Luft war einfach um Längen besser als in Berlin. Lisa sah sich um. Das Zimmer war klein, aber perfekt eingerichtet. Jede Ecke war ausgenutzt und trotzdem war alles sehr geschmackvoll – von der kleinen Kommode im Louis XVI-Stil bis hin zu der gestreiften Textiltapete an der Rückwand des Bettes. Trixi hatte Recht. Hier war Understatement im Spiel. Aber warum lebte Frederik Mörk hier draußen in dieser winzigen Kate? Sein Unternehmen war in der Stadt, warum hatte er nicht einfach dort eine Wohnung? Und was war mit seiner Familie? Lisa schätzte ihn auf 35, seltsam, dass er keine Frau und Kinder hatte.
Lisa musste an Trixis Moralpredigt vom Vorabend denken. Es stimmte ja, sie machte sich ständig Gedanken über andere. Jetzt schon wieder! Was ging es sie an, ob Frederik Mörk Frau und Kinder hatte und warum er in diesem Wochenendhäuschen lebte. Sie wollte ihn interviewen wegen einer angeblich revolutionären Fischreuse. Hatte er nicht am gestrigen Abend von einer Erfindung gesprochen, die er in Neuguinea vorgestellt hatte? Sie musste ihn heute unbedingt darauf ansprechen.
Lisa stand auf und trat ans Fenster. Die Sonne war längst aufgegangen, das Wasser im Fjord war ruhig und friedvoll. Die Jolle schaukelte in den winzigen Wellen. Gerade als sie sich fragte, ob Frederik Mörk wohl noch schlief, sah sie ihn durchs Wasser gleiten. Er schwamm langsam und bedächtig, mit kraftvollen Bewegungen. Es war schön, ihm zuzuschauen. Lisa war ganz eingenommen von der Ruhe, die er zu dieser morgendlichen Stunde ausstrahlte.
Als hätte er ihren Blick gespürt, sah er plötzlich zu Lisa nach oben. Er lächelte und winkte. Lisa winkte zurück. Frederik Mörk schwamm zum Steg und stieg aus dem Wasser. Mühelos zog er sich an den Holzbohlen hoch. “Komm, Lisa”, rief er ihr zu. “Komm ins Wasser. Es ist herrlich so früh am Morgen.”
“Puh, nein”, rief Lisa und lachte. “Das ist mir viel zu kalt.”
Er schüttelte lachend den Kopf, sprang vom Steg auf das Boot und verschwand im Inneren. Mit einem Handtuch kam er heraus und trocknete sich ab. Wieder machte er langsame, bedächtige Bewegungen, ließ keinerlei Hast erkennen. Lisa schaute ihm fasziniert zu, beobachtete das Spiel seiner Muskeln. Frederik Mörk hatte einen sportlichen, durchtrainierten, sonnengebräunten Körper. Es sah nicht so aus, als würde er seine Tage im Büro verbringen. Vielleicht war er nur der Erbe von Mörk Industries? Vielleicht gab es noch einen Vater, der die Firma leitete und Frederik war nur der reiche Sohn, der nichts anderes zu tun hatte, als seinen Hobbies nachzugehen? Und vielleicht hatte er dabei seine erstaunliche Erfindung gemacht?
“Wollen wir frühstücken?” Frederik, mittlerweile in Jeans und T-Shirt, war auf den Steg gesprungen. “Frische Brötchen warten schon”, rief er.
Lisa nickte. Sie war ganz benommen von so viel Tatendrang.
“Mit wem sprichst Du?” Trixi war aufgewacht und rieb sich die Augen.
“Mit Frederik Mörk”, antwortete Lisa. “Er ist gerade auf dem Weg ins Haus.”
“Wie spät ist es?”
“Halb sieben.”
“Das ist zu früh!” Trixi zog sich die Decke über den Kopf und dreht sich um. Vor neun stand sie im Urlaub niemals auf und Lisa wusste, dass niemand ihre Schwester dazu bewegen konnte, diese Gewohnheit aufzugeben.
Sie suchte ihre Kleider zusammen und ging unter die Dusche.
Hier geht’s zur Folge 21 von “Im Fjord der Liebe”
Im Fjord der Liebe, Folge 20; ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.
Eine Antwort
sue
HM, das fällt mir nur ein RRRRRRRRRRRRRRRRRRRR
LG Sue