Tja, was soll ich sagen? Nach dem Groschenroman ist vor dem Groschenroman! Und deshalb kommt drei Tage nach Ende der Story von Jack und Kathrin schon die neue Geschichte. Dieses Mal sind wir in Norwegen, im Land der Fjorde und Trolle. Ich hoffe, der neue Roman macht Euch genauso viel Freude wie der alte. Los geht’s . . .
“Oh, schau nur! Es sieht noch genauso aus wie damals!” Lisa stieß die Autotür auf und sprang hinaus. Sie breitete beide Arme aus, als wollte sie die norwegische Luft umfangen. “Ist das herrlich! Komm Brad, steig aus!” Sie lief um das Taxi herum und öffnete die hintere Wagentür. “Das ist unser Häuschen, von dem ich Dir schon so viel erzählt habe.”
Brad stöhnte, als er aus dem Auto kletterte. Er war müde und genervt, der Jetlag plagte ihn. “Oh”, sagte er. “Ehrlich gesagt, hab ich’s mir größer vorgestellt.”
“Ach komm, Du Miesepeter! Gehen wir erst mal rein. Ich bin gespannt, ob sich drinnen auch so wenig verändert hat.” Sie bezahlte das Taxi, gab dem Fahrer ein üppiges Trinkgeld und nahm Brad an der Hand. “Ach, das nenn’ ich Timing. Da sind Mama und Papa!”
Lisa blieb stehen und wartete bis das zweite Taxi über den Kiesweg gerollt war. “Hallo Liebes!” Lisas Mutter stieg als erste aus und nahm ihre Tochter in die Arme. “Mama, hallo! Wie schön, Dich zu sehen. Du kennst Brad, oder?”
“Natürlich kenne ich Brad”, sagte sie und schüttelte ihm die Hand. “Wer kennt ihn nicht?” Sie lachte ein glockenhelles Lachen und übersah Brads unfreundliches Gesicht. “Guten Tag”, sagte er – wegen des Anstands, nicht aus Freude.
“Papa!” Lisa ging auf ihren Vater zu, der ziemliche Schwierigkeiten beim Aussteigen hatte. “Komm, ich helfe Dir!”
“Das ist nicht nötig!” Ihr Vater stieß sie weg. “So alt bin ich noch nicht.”
“Wie geht es Dir?”, fragte Lisa.
“Pah, wie soll es jemandem gehen, dem der Arzt gerade gesagt hat, dass seine lichten Momente immer weniger werden? Ich kann’s Dir sagen: beschissen.”
“Karl, bitte!” Lisas Mutter nahm ihren Mann am Arm und führte ihn zum Haus. “Lass Deine Wut nicht an den Kindern aus. Wir wollen doch einen schönen Urlaub haben, oder nicht?”
“A propos, wo ist eigentlich Trixi?”, fragte Lisa beim Hineingehen.
“Du kennst doch Deine Schwester”, sagte die Mutter. “Immer zu spät. Sie hat heute Morgen bemerkt, dass sie einen wichtigen Termin vergessen hat. Sie kommt in den nächsten Tagen. So Gott will!”
Sie öffneten die Haustür und traten ein. In der kleinen Eingangshalle prasselte ein Feuer im Kamin. Es war warm und gemütlich. “Schön”, sagte die Mutter. “Frida hat alles vorbereitet.”
“Wie früher”, antwortete Lisa. Sie dachte an die vielen Sommer ihrer Kindheit und Jugend, die sie hier am Fjord verbracht hatten. Sie, ihre Eltern und ihre Schwester. Wie viele Erinnerungen hingen an dieser Gegend? Sie kannte jeden Stein und jeden Baum, sie kannte das Meer und den Himmel, der in der warmen Jahreszeit niemals dunkel wurde. Bestimmt zehn Jahre war es her, dass sie nicht hier gewesen war. Nie wieder würde sie herkommen, hatte sie sich damals geschworen. Doch die Diagnose ihres Vaters hatte alles verändert. Noch ein halbes, vielleicht ein dreiviertel Jahr bleibe ihm, hatte der Arzt gesagt, dann würde ihn die Dunkelheit eingefangen haben. Demenz, Alzheimer, das unausweichliche Abgleiten ins geistige Nirgendwo. Noch einmal mit der Familie nach Norwegen, solange er noch klar denken könne, das hatte er sich gewünscht. Nur deshalb war Lisa zurückgekehrt.
“Brad, könnten Sie das Gepäck hereinbringen und nach oben in die Zimmer tragen?” Lisas Mutter dachte wie immer praktisch.
Brad nahm die Sonnenbrille ab und sah sich im Haus um. Es entsprach ganz und gar nicht seinen Vorstellungen. Es war winzig und er hoffte inständig, dass die Schlafzimmer geräumiger waren. Wie sollte er sonst ausspannen, nach den unglaublich anstrengenden letzten Wochen? 30 Drehtage ohne Pause, das ging an die Nieren. Er hatte ohnehin keine Ahnung, wie Lisa sich diesen Urlaub vorstellte. Er zusammen mit ihrer Familie unter einem Dach, ihrem demenzkranken Vater und dieser affektierten Schwester, die nie einen Hehl daraus gemacht hatte, dass sie hinter ihm her war. Offenbar hatte Lisa noch immer keine Ahnung von seinem Leben. Wie es war, wenn alle Welt einen kannte, wenn man keinen Schritt unbeobachtet tun konnte. Wahrscheinlich liebte er sie gerade deswegen so sehr. Sie war so herrlich normal, der Wirbel, den die ganze Welt um ihn machte, ließ sie völlig kalt. Mit Brad Pott, dem Filmstar, hatte sie nichts zu tun. Für sie war er schlichtweg der Mann, den sie liebte – mehr oder weniger. Er steckte sich die Sonnenbrille ins Haar und ging nach draußen, um das Gepäck zu holen.
Hier geht’s zur Folge 2 von “Im Fjord der Liebe”
Im Fjord der Liebe, Folge 1; ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.
Eine Antwort
sue
Ja, kann Brad momentan voll verstehen, habe auch Jetlag, gestern noch Miami und nun schon wieder zu Hause.
LG Sue