Dass Judith eine echte Könnerin ist, was chemische Entwicklungen angeht, glauben wir ja gerne. Wenn sie ihr Engagement nur endlich mal auf andere Gebiete ausdehnen würde – zum Beispiel auf die LIEBE! Aber schauen wir, wie’s weitergeht . . .
“Frau Haffner!” Sunny Breimeier stürmte ins Labor. “Frau Haffner”, rief er. “Sehen Sie sich das an!” Der Juniorchef hielt Judith ein Bündel Papier unter die Nase. “Was ist das?”, fragte sie. “Das sind die Testergebnisse”, antwortete Sunny. “Und sie sind fantastisch. Einfach fantastisch. 80 Prozent Faltenreduktion in nur zwei Wochen. Damit lassen wir sogar ‘La Beauté sublime’ hinter uns. Wow, Frau Haffner, ich bin begeistert!” Judith stand auf und nahm Breimeiers Glückwünsche entgegen. Sie freute sich aufrichtig. Wenn es ihnen gelang, die große Konkurrenzmarke Clareté mit ihrem Spitzenprodukt ‘La Beauté sublime’ auszustechen, dann war das wahrhaft eine große Sache. “Jetzt haben wir zum ersten Mal die Chance, Marktführer zu werden. Frau Haffner, Sie sind einfach genial.”
“So würde ich auch mal gerne gelobt werden”, sagte Vera plötzlich und kam hinter ihrem Schreibtisch hervor. Breimeier Junior schaute sie an. “Ja, dann müssen sie eben auch mal so ein außergewöhnliches Produkt entwickeln.” Judith schluckte. Wow, das war eine Abfuhr. Vera rang sich ein gequältes Lächeln ab, sagte aber nichts. “Jetzt brauchen wir nur noch einen Namen für unser neues Baby.” Sunny Breimeier hatte offenbar überhaupt nicht bemerkt, wie sehr er Vera getroffen hatte. “Aber das ist Wanningers Part.” Der Juniorchef griff zum Telefon. “Herr Wanninger, ja, hallo, Die Testergebnisse sind da. Unglaublich, sage ich Ihnen. Unglaublich. Kommen Sie doch grade mal ins Labor zu Frau Haffner. Dann kann ich Ihnen alles zeigen.”
Minuten später stand Wanninger im Labor. Er war in derselben Hochstimmung wie Breimeier. “Das ist ja viel mehr, als wir uns erhofft haben”, sagte er und schenkte Judith ein strahlendes Lächeln. “Da passt der Name, den ich ausgesucht habe, ja umso besser.” “Ach”, sagte Breimeier. “Sie haben schon einen Namen?” “Ja”, sagte Wanninger. “La Douceur de l’eau! Na, wie klingt das?” Sunny Breimeier fasste Wanninger an den Schultern. “Toll, ganz toll”, sagte er. Er stellte sich zwischen Nick und Judith. “Da hab ich mir ja zwei wirkliche Spitzenkräfte an Land gezogen. Mein lieber Mann.” Sein Blick wanderte zu Vera. “Wo ist denn eigentlich Ihre Assistentin? Wie heißt sie noch gleich?” “Susi”, antwortete Vera. “Sie heißt Susi.” “Ja, also Susi soll uns doch mal eine Flasche Schampus organisieren. Das muss gefeiert werden!”
Vera verließ das Labor. Judith hatte beinahe ein bisschen Mitleid mit ihr. Seit fast zehn Jahren arbeitete Vera schon bei Breimeier im Labor, nur eine kurze Zeit hatte sie unterbrochen, als ihre Tochter zur Welt gekommen war. Sie hatte eine solch demütigende Behandlung wahrlich nicht verdient. Aber wenn Sunny Breimeier in Fahrt war, gab es kein Halten. Da waren ihm die Gefühle der anderen völlig einerlei. Und, wie Judith vermutete, nicht nur dann. Auch sonst gab der Juniorchef wohl nicht viel auf das Befinden seiner Mitarbeiter.
Als der Sektkorken knallte, hatte sich Vera wieder gefangen. Sie lächelte wie eh und je, freundlich, demütig und ohne jede Gefühlsregung. “Ja”, sagte sie. “Es ist schön, dass wir nun ein solches Spitzenprodukt haben. Die Frauen werden es uns danken, wenn sie plötzlich zehn Jahre jünger aussehen.” “Ja”, sagte Sunny Breimeier und hob sein Glas. “Dann trinken wir auf die ewige Jugend, die aus dem bayrischen Wald kommt.” Er lachte ein lautes, triumphierendes Lachen. Wahrscheinlich, so dachte Judith, sieht er im Geiste schon eine neue, noch luxuriösere Yacht vor sich oder eine neue Villa an der französischen Riviera. Sie prostete Nick Wanninger zu, der sich gerade neben sie stellte. “Ich weiß schon, warum sich der Junior so freut”, flüsterte er. “Der träumt jetzt vom großen Geld!” Judith sah ihn an und lachte. “Genau dasselbe habe ich gerade auch gedacht.”
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Herzschmerz hautnah, Folge 9, ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.
Eine Antwort
sue
Ach ja, da bahnt sich was an, schön… Sue