Na, na, na?!? Vielleicht kann Nick Wanninger Judiths Herz doch noch erweichen. Sie scheint ja nicht mehr so ganz abgeneigt zu sein. Oder, was meint Ihr?
Judith rieb sich die Augen. Es war spät und das Licht der Schreibtischlampe hatte sie müde gemacht. Seit Stunden brütete sie über ihren alten Chemiebüchern und suchte nach Eigenschaften von Mineralien, von Selen, Kalzium, Magnesium, Sulfat. Sie war dem Geheimnis ganz nah, auch ohne die Zauberformel zu kennen, wusste sie nun, was der besondere Stoff im Bachhäuser Wasser war. Die Frage war nur: Wie konnte man diesen Stoff in eine Art Turbo verwandeln? Einen Turbo, der die Zellen in Windeseile erneuert und damit die Haut sichtbar strafft. Judith erinnerte sich dunkel an ihr drittes Studiensemester, als der Professor dieses Themengebiet gestreift hatte. Aber sie kam beim besten Willen nicht mehr auf die Details.
Der Durchbruch stand bevor, das spürte sie genau. Sie hatte das Bachhäuser Wasser in die allerkleinsten Einzelheiten zerlegt, sie kannte die chemische Zusammensetzung bis zum letzten Sauerstoffmolekül. Nachdem sie den besonderen Stoff entdeckt hatte, hatte sie der Ehrgeiz gepackt. Sie war spät bis in die Nacht im Labor gesessen, hatte untersucht und dokumentiert. Vera war ihr Einsatz nicht verborgen geblieben. “Ich verstehe gar nicht, warum Du plötzlich so Gas gibst”, hatte sie mit schnippischer Stimme gesagt. “Ich mache nur meine Arbeit”, hatte Judith erwidert. “Und wenn ich etwas gerne mache, dann kann ich auch mal mehr Zeit aufwenden. “Und ich dachte schon, es hängt mit Nick Wanninger zusammen”, antwortete Vera.
Die Kollegin war eifersüchtig, das war nicht zu übersehen. Mit jedem weiteren Tag, an dem Judith und Nick Wanninger ihre Besprechungen abhielten, wurde sie bissiger. Der Konferenzraum grenzte ans Labor und Vera konnte nur zu gut hören, wie die beiden zusammen lachten. “Arbeitet Ihr auch etwas?”, hatte sie neulich gefragt, als Judith und Nick Wanninger ins Labor gekommen waren. “Natürlich, warum fragst Du?” “Ich höre Euch ständig nur kichern. Muss ja lustig sein.” “Ist es auch”, hatte Nick Wanninger gesagt und vielsagend gegrinst. Das hatte Vera nur noch mehr verärgert. Judith verstand das alles nicht. Vera hatte einen netten Freund, einen erfolgreichen Wirtschaftsprüfer, der alle großen Unternehmen im Umkreis betreute. Die beiden hatten Geld, das wusste Judith. Auch wenn Vera immer betonte, dass sie ja ihren Lebensunterhalt selbst verdiene.
Judith schaltete die Schreibtischlampe aus. Der Mond schien hell in dieser Nacht und die Sterne funkelten. Sie dachte an Frederick und stellte fest, dass der Gedanke an ihn sie nicht mehr so quälte wie noch vor Wochen. Die Arbeit lenkte sie ab, die neue Aufgabe forderte sie heraus und . . . Ihre Gedanken wanderten unweigerlich zu Nick Wanninger. Ja, sie musste zugeben, dass er ein unterhaltsamer Bursche war. Die Stunden mit ihm waren kurzweilig, witzig und effektiv. Judith beschäftigte sich mit Dingen, von denen sie zuvor keine Ahnung gehabt hatte: Zielgruppendefinition, Marktanalysen, Auswahl von Models und Distributionskanälen. Und Nick Wanninger hatte tatsächlich zum ersten Mal in seinem Leben durch ein Stereopolarisationsmikroskop geschaut. Ab und zu hatte er noch einen Versuch gemacht, sie auch privat zu treffen. Aber nach unzähligen Absagen, hatte ihn offenbar der Mut verlassen. Er fragte sie nicht mehr.
Judith zog sich aus und legte sich ins Bett. Verheiratet war Nick Wanninger nicht, das wusste sie. Ob er eine Freundin hatte? Die schöne Blonde vielleicht, mit der sie ihn am Kaiserstein getroffen hatte? Ach, was mache ich mir Gedanken über Nick Wanninger?, sagte sie sich. Kurz bevor sie einschlief sah sie noch einmal sein Gesicht vor sich. Es lächelte spitzbübisch.
Hier geht’s zur Folge 9 von “Herzschmerz hautnah”
Herzschmerz hautnah, Folge 8, ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.
Eine Antwort
sue
Jetzt geht es los…..
Der erste Schritt ist getan.
Sue