Gut, jetzt ist der Fall geklärt. Das heißt aber noch lange nicht, dass Judiths Ruf wiederhergestellt ist. Ich denke mal, da ist Nick gefragt – als Fürsprecher. Ohne Fürsprecher ist es nämlich meist recht schwierig in der Arbeitswelt. Und auch sonst.
Nick drückte die goldene Klinke, öffnete die Tür und trat ein. Wie immer übte das Büro des alten Breimeier einen eigenartigen Eindruck auf ihn aus. Auf der einen Seite großspurig und patriarchalisch, auf der anderen unglaublich kleingeistig. “Herr Wanninger”, rief der Alte und trat hinter seinem riesigen Schreibtisch hervor. “Kommen Sie herein! Sie wollten mich sprechen, sagte meine Sekretärin. Für meinen besten Mann habe ich doch immer ein Ohr. Wo drückt der Schuh, mein Lieber?” Er umfasste Nicks Schulter mit jovialer Geste und führte ihn zur Sitzgruppe. “Nehmen Sie Platz”, sagte er, “und erzählen Sie mir, was Sie auf dem Herzen haben.”
“Tja, warum ich hier bin . . .”, begann Nick. “Warten Sie”, unterbrach ihn Breimeier. “Wir können hier doch nicht so trocken sitzen, oder?” Er lachte sein dröhnendes Lachen. “Einen kleinen Grappa vielleicht?” Schon hatte er eine Flasche und zwei Gläser geholt. “Das ist ein Tropfen, sag ich Ihnen. Mehr als 40 Jahre alt. Habe ich selbst aus Italien importiert.” Und wieder lachte er schallend. “Herr Breimeier . . .”, begann Nick erneut. “Prost!”, antwortete Breimeier und leerte sein Glas in einem Zug. “Herr Breimeier, der Grund, warum ich sie aufsuche ist kein erfreulicher.” Nick ließ sich nun nicht mehr aufhalten. Das volle Glas Grappa stand vor ihm, er rührte es nicht an. Der alte Breimeier sah auf. “Es ist tatsächlich wahr, dass Clareté die Zauberformel kennt”, fuhr Nick fort. “Sie sind sogar schon dabei, Wasserproben aus dem Flüsschen zu nehmen. Wohl um es zu analysieren. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen und ich sage Ihnen: Das ist kein gutes Zeichen.” Der alte Breimeier richtete den Blick zur Decke und schloss dann die Augen. “Und das alles nur, weil wir diese Haffner eingestellt haben”, zischte er. “Hätte ich mir doch gleich denken können, dass das nicht gut geht mit dieser Afrika-Liebhaberin. Diese sozial eingestellten Typen hab ich noch nie leiden können. Nichts als Ärger hat man mit denen.”
“Judith Haffner hat nichts damit zu tun”, sagte Nick. “Pah!”, rief Breimeier. “Woher wollen Sie das denn wissen? Sie kennt die Formel, sonst hätte sie niemals ‘La Douceur d’eau’ entwickeln können. Und, was ich sonst so gehört habe, schaut sie auf unser Unternehmen herunter, hat kein Verständnis für die Abläufe in einer mittelständischen Firma. Für mich kommt als Täterin nur sie in Frage.” Breimeier stand auf und ging wutentbrannt zum Fenster. “Alles, was ich aufgebaut habe, soll ich mir jetzt von dieser Person kaputt machen lassen?” Nick stand ebenfalls auf. “Herr Breimeier, wir haben eindeutige Beweise, dass Vera Hofer hinter der ganzen Sache steckt. Sie hat Gabriel Neureuther dazu gebracht, ihr die Formel zu verraten und hat sie dann an Bo Waclarek verkauft. Dafür gibt es Zeugen!” Breimeier drehte sich um und sah Nick direkt an. “Wanninger, Sie sind ja nicht bei Trost. Warum sollte Vera Hofer so etwas tun? Sie ist schon so viele Jahre bei uns, leistet gute Arbeit, sie wäre doch von allen guten Geistern verlassen, wenn sie das alles aufs Spiel setzen würde.”
Nick hielt Breimeiers Blick stand. “Ich kenne die Gründe von Frau Hofer nicht”, sagte er. “Ich weiß nur, dass Judith Haffner eine äußerst integere Kollegin ist, die auf ihrem Gebiet absolute Spitzenleistungen erbringt. Ohne sie hätte wir ‘La Douceur d’eau’ niemals auf den Markt bringen können.” Nick machte einen Schritt auf Breimeier zu. “Und noch eines, Herr Breimeier. Judith kannte die Zauberformel in der Tat nicht. Die Zusammensetzung von ‘La Douceur d’eau’ hat sie ganz allein entwickelt, sozusagen mit Hilfe eigener Analysen. Also hören Sie in Gottes Namen damit auf, die Falsche zu beschuldigen und sie in kleinkindischer Manier mit Nichtachtung zu strafen.” Nick war in Fahrt, es war im egal, was Breimeier angesichts der Vorwürfe von ihm dachte. Judith war die Frau, die er liebte und dazu noch eine überaus fähige Kollegin. Es war Zeit, dass er endlich offen für sie eintrat.
“Ist ja gut, Wanninger. Ist ja gut”, sagte Breimeier und hob beschwichtigend die Hand. “Mir scheint, da steckt ein bisschen mehr dahinter als nur kollegiales Verständnis. Aber sei’s drum. Bei so viel Leidenschaft muss ich Ihnen ja glauben – auch wenn’s mir schwer fällt.” Er ging zum Telefon. “Dann werde ich jetzt wohl Konsequenzen ziehen!”
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Herzschmerz hautnah, Folge 22, ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich
3 Antworten
sue
Oh, man, spannend, ich hoffe, wir lesen noch ein bisschen…. Sue
bea
Hoffen wir doch sehr, dass er die richtigen Entscheidungen trifft.
Sabinchen
hui… jetzt geht’s Vera an den Kragen und sie hat es verdient!!!