“Was meinst Du, Schatz? Weiße Rosen sind doch immer noch die schönsten Blumen für eine Hochzeit, oder?”
Elisabeth ging durch die großen Außenanlagen der Gärtnerei. Gab hier einen Kommentar und dort, während die Floristin versuchte, neben ihr Schritt zu halten. Die Blumenarrangements wollten genau ausgesucht werden, hatte sie Max erklärt. Denn sie würden den Stil der Feier prägen.
Elisabeth war ganz in ihrem Element. Seit Tagen befand sie sich in den Hochzeitsvorbereitungen. Ihr Bemühen kam einem Rausch gleich. Sie pendelte zwischen Schneider, Hutmacher, Pfarrer und Koch. Ihre neueste Idee war ein halbstündiges Feuerwerk, dass am Himmel über ganz Wien zu sehen sein sollte. Max bremste sie nicht. Solange sie den Fokus nicht auf ihn richtete, war ihm alles recht.
Dass Max alles andere als euphorisch war, dass er von all diesem Hochzeitskram am liebsten überhaupt nichts wissen wollte, ignorierte Elisabeth geflissentlich. Sie hatte Max Ludenhoff, den Erben des großen Grandhotels, in den Fängen und damit ihr Ziel erreicht.
“Du wirst schon sehen, mein Lieber”, hatte sie gesagt, “mich zu heiraten, ist das Beste für Dich. Die Liebe wird zurückkommen. Irgendwann wirst Du das kleine Zimmermädchen vergessen haben.”
Max hingegen war sich da nicht so sicher. Es verging keine Minute, in der er nicht an Mitzi dachte, ihr schönes Gesicht vor Augen hatte, die Berührung ihrer Hände spürte. Wieder und wieder sah er ihre Augen vor sich, aus denen sekundenschnell alle Freude gewichen war. Das Ende ihrer Liebe hatte sie unendlich getroffen. Wie sollte er diese Frau jemals vergessen?
“Max, hallo! Wo bist Du denn mit Deinen Gedanken? Man könnte meinen, unsere Hochzeit interessiere Dich gar nicht.”
“Bitte?”
“Was sagst Du zu weißen Rosen?”
“Ja, gut. Finde ich gut. . .”, antwortete Max abwesend.
“Wir könnten die Rosen mit weißen Lilien kombinieren?”, schlug die Floristin vor.
“Nein, oh nein. Verschonen Sie mich mit Lilien. Das sind Friedhofsblumen, völlig unpassend für eine Hochzeit.” Elisabeth warf der jungen Floristin einen strafenden Blick zu und schüttelte entrüstet den Kopf. Allein die Idee beleidigte offenbar ihr Stilgefühl. Die Floristin überhörte Elisabeths arroganten und zurechtweisenden Ton. Der Kunde war König, das hatte sie gleich zu Beginn ihrer Lehrzeit gelernt. Max aber war das Benehmen seiner Verlobten peinlich. Sie behandelte andere Menschen prinzipiell wie Angestellte, auf deren Befindlichkeiten in keinster Weise Rücksicht zu nehmen war.
“Ich finde Lilien sehr schön”, hörte Max sich sagen und bereute es sofort.
“Max, bitte! Du leidest doch wohl nicht an Geschmacksverirrung?”
Nur einen kurzen Moment sah die Floristin Max an. Mitleid lag in ihrem Blick. Das war zuviel. Max hatte genug und wandte sich zur Tür.
“Am besten, Du suchst die Blumen allein aus. Ich hab ohnehin noch einiges zu erledigen. Wir sehen uns zum Abendessen im Hotel. Auf Wiedersehen.”
Er nickte der Floristin kurz zu und trat schnell aus dem Laden. Als er draußen war, atmete er tief durch, und entfernte sich raschen Schrittes. Dieser Floristin wollte er nicht noch einmal unter die Augen treten müssen. Mitleid hatte er nicht nötig. Oder doch?
War es richtig gewesen, Mitzi für seinen Vater zu opfern? Rücksicht zu nehmen auf denjenigen, der ihn und seine Mutter übelst und mit weitreichenden Folgen betrogen hatte? Während er sich nach Mitzi verzehrte, lebte sein alter Herr unbehelligt weiter, spielte den Grandseigneur und zeigte sich wenig schuldbewusst. Die Situation war schwer zu ertragen. Max lief weiter die Kärtnerstraße hinunter, ohne auch nur einen Blick in die schönen und noblen Geschäfts zu werfen. Er war immer gerne einkaufen gegangen, hatte das Privileg genossen, sich fast alles leisten zu können. Jetzt hatte er jegliches Interesse verloren.
Seit dem Nachmittag an der Donau hatte er Mitzi nicht mehr gesehen. Er zwang sich, nicht in den Dienstplan der Zimmermädchen zu schauen, obwohl es ihm schwer fiel. Es wären nur qualvolle Minuten für sie beide, wenn er Mitzi bei der Arbeit aufsuchen würde. Er hatte keine andere Wahl. Er würde Elisabeth heiraten müssen. Eine grauenvolle Vorstellung.
Hier geht’s zu Folge 29 von “Grandhotel Herz”.
Grandhotel Herz, Folge 28; ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.