“Puh, bin ich satt. Jetzt passt wirklich nichts mehr rein.” Mitzi rieb sich den Bauch und schob ihren Stuhl zurück. “Zuhause schmeckt es eindeutig am besten. Monika, ich muss schon sagen, kochen kannst Du.”
“Nicht nur kochen”, sagte Christian und blickte Monika tief in die Augen. Mitzi wandte den Blick ab, die Verliebtheit ihres Bruders war schwer zu ertragen für sie.
“Kocht Tante Gertrud denn nicht gut?”
“Doch, natürlich, Papa. Aber hier bei Euch, mit meiner ganzen Familie, das ist etwas ganz anderes als mit Tante Gertrud allein an ihrem winzigen Küchentisch zu sitzen. Hier hab ich viel mehr Appetit.”
“Ich hole den Nachtisch”, sagte Monika und verschwand in der Küche.
“Kommt Kinder, setzen wir uns vor die Glotze. Gemeinsam fernsehen, das haben wir schon lange nicht mehr getan.” Das war typisch für den alten Pichler. Er war kein Mann großer Worte. Es kam ihm überhaupt nicht in den Sinn, dass Mitzi und ihre Brüder sich nach Monaten des Getrenntseins vielleicht einiges zu erzählen hatten. Sein größtes Glück bestand in einem Fernsehabend auf dem Sofa, umringt von seinen Kindern.
“Ach Papa”, sagte Mitzi nur und folgte ihm ins Wohnzimmer. Der Fernseher lief bereits und Markus hatte es sich in dem riesigen Ohrensessel bequem gemacht.
“Das Programm ist bescheiden”, sagte er. “Akzeptabel ist nur der Sportlerball. Wenn sich Proleten fein machen, das seh ich immer wieder gern.” Markus lachte. Er hielt nichts von Sportlern und noch weniger von Sport. Schon als Kind hatte er sich nicht gerne bewegt und seit er sein Philosophiestudium begonnen hatte, war er ein echter Stubenhocker geworden. Er war kaum noch ohne Buch anzutreffen. Lesen ist genug Sport, war sein Credo.
“Da, schau”, sagte er jetzt und zeigte auf den Bildschirm. “Ausgerechnet der Kastlhuber führt durch den Abend. Wie sind sie bloß auf den gekommen?”
“Was hast Du denn gegen den Kastlhuber?”
“Ach, Papa, ich bitte Dich. Der Mann ist doch schon auf dem Fußballplatz eine Zumutung und jetzt macht er vor einem Millionenpublikum auf Conferencier. Soviel Selbstüberschätzung muss doch wehtun.”
Monika kam mit dem Nachtisch. Mitzi mochte die neue Freundin ihres Bruders. Sie war freundlich, hilfsbereit und sehr hübsch. Und sie war sehr verliebt in Christian.
“Mmmhh, das sieht ja fantastisch aus.” Markus nahm Monika einen Teller ab und fing an, die bayrische Creme in sich hinein zu schaufeln. Obwohl er keinen Sport machte, konnte er essen, was er wollte. Dafür hatte ihn Mitzi schon immer beneidet.
“Pst, pst… jetzt hört Euch das an!” Der Vater hatte den Ton lauter gestellt. “Hab ich das richtig mitbekommen? Sie verleihen einen Preis für Anmut im Sport? Ja, sind die jetzt von allen guten Geistern verlassen?”
“Sag ich doch. Diesen Schwachsinn hat sich bestimmt der Kastlhuber ausgedacht.”
“Na der kriegt den Preis für Anmut sicher nicht.” Mitzi musste über ihre eigene Bemerkung lachen. Aber plötzlich hielt sie inne. Das war doch Max Ludenhoff auf dem Bildschirm. Da an einem Tisch in der ersten Reihe. Mitzi stand auf und trat näher an den Fernseher.
“Was machst Du denn? Wir sehn ja nix mehr. Geh, Mitzi, setz’ Dich wieder hin.” Der Vater fuchtelte mit der Fernbedienung und bedeutete Mitzi aus dem Weg zu gehen. Wie vom Donner gerührt, nahm sie wieder auf dem Sofa Platz. Was machte Max Ludenhoff beim Sportlerball?
“Ach Gott, ach Gott”, Markus lehnte sich in seinem Sessel nach vorne. “Schaut mal, das ist doch diese arrogante Reiterin. Wie heißt sie noch gleich? Das hätte man sich ja denken können. Einen Preis für Anmut im Sport kann nur eine echte Schnepfe gewinnen.”
“Wer ist das?”, fragte Mitzi und starrte gebannt auf den Bildschirm. Die Dame an Max’ Tisch stand auf und folgte Franz Kastlhuber auf die Bühne. Sie sah sehr glamourös aus, ihr Auftritt war tadellos.
“Ich hab den Namen vergessen”, sagte Markus mit vollem Mund. “Aber sie hat erst vor ein paar Tagen ein wichtiges Reitturnier gewonnen. Dazu noch eines, das sie selbst veranstaltet hat. Irgendwie komisch, oder? Und jetzt noch dieser bescheuerte Preis. Also, ich kann mir nicht vorstellen, dass das mit rechten Dingen zugeht?”
“Oh Markus, Du und Deine Verschwörungstheorien. Kannst Du das nicht mal lassen?” Christian war ins Wohnzimmer gekommen und setzte sich zu ihnen.
“Im Sport herrscht Korruption, Christian. Das sag ich Euch schon immer.”
Mitzi hörte nicht mehr zu. Das also war Max’ Verlobte. Elisabeth Freifrau von Krumau, eine Adlige, die nun auch noch einen Preis für Anmut gewonnen hatte. Mitzi konnte den Blick nicht vom Bildschirm wenden. Wie naiv war sie gewesen? Zu glauben, ein Mann wie Max könnte sich für sie interessieren. Sie musste sich alles nur eingebildet haben. Wahrscheinlich hatten sie seine blauen Augen die Realität vergessen lassen. Nein, er verkehrte in ganz anderen Kreisen, da hatte sie bei Gott nichts verloren.
“Mitzi, sag mal. Dieser Max Ludenhoff, ist das nicht der Chef von Deinem Hotel?”
“Wie, was?” Mitzi schaute Markus verdattert an. “Was meinst Du?”
“Die klassische Schmalzrede. Sie dankt Max Ludenhoff, ihrem Verlobten. Das ist doch der Hotelier vom Grandhotel Herz, oder?”
“Ja, stimmt. Das ist der Juniorchef.”
“Du lieber Himmel. Da könnt Ihr Euch warm anziehen, wenn diese Zimzicke erstmal Eure Chefin ist.”
Hier geht’s zu Folge 18 von “Grandhotel Herz”.
Grandhotel Herz, Folge 17; ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.