Ich glaube, so richtig angekommen ist es bei Kathrin noch gar nicht, dass sie eine Verwandte in Australien hat. Und dazu noch eine, die ihr etwas vererbt hat. Das muss sich erstmal setzen. Mal sehen, was Schnuckelchen Carlo dazu meint.
“Also, jetzt erzähl mal. Wer ist diese Tante Gabriele aus Australien?” Carlo schnitt ein großes Stück Pizza ab und steckte es in den Mund.
“Naja, ich weiß es selbst nicht so genau. Gabriele Wünschelberger ist angeblich Vaters Tante, also meine Großtante. Offenbar hatten wir tatsächlich Verwandtschaft in Down Under.” Kathrin trank einen Schluck Wein.
“Und Du hast überhaupt nichts davon gewusst?” Carlo sah sie ungläubig an.
“Nein, wirklich nicht. Die Existenz dieser Frau kommt für mich völlig überraschend. Vater hat nie über sie gesprochen”, sagte Kathrin.
“Tja, leider kannst Du ihn nicht mehr fragen.”
“Ja, leider”, sagte Kathrin und schob ebenfalls ein Stück Pizza in den Mund. Ihr Vater war vor drei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
“Und Deine Mutter?”, fragte Carlo. “Könnte die vielleicht etwas darüber wissen?”
“Ach Schatz. Du weißt doch, wie sie ist. Ich hab keine Lust auf diese ewigen Hasstiraden gegen meinen Vater. Ich brauche nur seinen Namen zu erwähnen, dann kriegt sie schon diesen verbitterten Zug um den Mund. Wenn ich jetzt noch mit einer bisher unbekannten Tante in Australien ankomme? Ein weiteres Geheimnis, das er mit sich herumgetragen hat, wäre definitiv zu viel für sie.”
“Dass sie ihm noch immer nicht verzeihen kann?”, sagte Carlo.
“Es hat sie einfach zu tief getroffen”, antwortete Kathrin. “Ist ja auch hart. Erst der plötzliche Tod des Mannes und dann erfahren zu müssen, dass er jahrelang ein Doppelleben geführt hat. Da fällt mir etwas ein. Der Nachlassverwalter sagte, ich sei die einzige lebende Verwandte.”
“Ja, und?”, fragte Carlo.
“Na, da ist doch noch Moritz. Er ist der Sohn meines Vaters und demnach auch mit Großtante Gabriele verwandt.”
“Stimmt.”
“Sieht so aus, als wüssten sie in Australien nichts von seiner Existenz.”
“Zumindest wusste es Großtante Gabriele nicht.” Carlo lachte. “Sei doch froh, sonst müsstest Du den Knirps noch mit nehmen auf die Reise.” Moritz war jetzt fünf und lebte mit seiner Mutter in Düsseldorf.
“Du meinst also, ich soll wirklich hinfahren?”, fragte Kathrin.
“Wenn der Anruf echt war und Du die offizielle Einladung bekommst, dann musst Du natürlich hinfahren.”
“Am Ende hat sie mir nur eine verfallene Hütte im australischen Outback vermacht. A propos, wo liegt Nearharvest eigentlich?”
“Outback ist gar nicht schlecht”, sagte Carlo und lachte. Gleich nachdem Kathrin ihn angerufen hatte, um ihm von dem seltsamen Telefonat zu erzählen, hatte er das Internet zu Rate gezogen. “Nearharvest liegt 200 Kilometer von Alice Springs entfernt.”
“Aha”, sagte Kathrin. “Sagt mir gar nichts.”
“Alice Springs hat etwa 25.000 Einwohner und ist die größte Stadt im Zentrum Australiens. Alle anderen Städte sind mehr als 1000 Kilometer entfernt.”
“Und Nearharvest?”
“Keine Ahnung. Es muss ein kleines Nest sein und tatsächlich irgendwo im Outback liegen.”
“Du lieber Gott”, sagte Kathrin. “Das klingt doch alles ziemlich seltsam, findest Du nicht?”
“Doch, das finde ich auch.” Carlo hatte das letzte Stück Pizza vertilgt und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. “Wenn Du herausfinden willst, was dahintersteckt – tja, ich fürchte, dann wirst Du hinfahren müssen.”
Die Liebe kommt im Karohemd, Folge 4, ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.
Das ist wieder eine sehr schöne Geschichte. Bn auf die Fortsetzung schon sehr gespannt.
HG Bea
Ich bin immer wieder begeistert auf welche Ideen du kommst. Genial.
LG Sue