Manchmal ist es so, dass ein kleiner Augenblick das ganze Leben ändern kann. Oder? Kennt Ihr doch sicher auch? Unsere Protagonistin Kathrin jedenfalls hat die längste Zeit geglaubt, dass ihr Leben ein langer, ruhiger Fluss ist. Ein Anruf und . . . puh, nichts ist mehr wie es war. Aber lest selbst!
Kathrin gähnte. Langsam fing sie an ihren Job zu hassen. Diese ewige Müdigkeit, dieses Gefühl, nie genug schlafen zu können, es ging ihr mehr und mehr auf die Nerven. Und dann schon am frühen Morgen dieser langweilige Papierkram. Kathrin klappte die Patientenakte zu und schaute aus dem Klinikfenster. War sie deswegen Ärztin geworden? Sie hatte Menschen helfen wollen, das allein war ihre Intention gewesen. Und nun? Sie rannte jeden Tag durch die Flure des Klinikums, konnte keinem ihrer Patienten gerecht werden, weil sie die meiste Zeit Formulare, Tabellen und Anträge auszufüllen hatte. Kathrin seufzte und stand auf. Eine schwierige Hüftoperation stand an, sie musste sich fertig machen. Professor Blume schätzte Pünktlichkeit und kannte kein Pardon, wenn jemand zu spät kam. Und Kathrin hatte keine Lust, sich vor der ganzen OP-Mannschaft lächerlich machen zu lassen. Das hätte ihr heute gerade noch gefehlt. Kathrin ging zum Aufzug. “Frau Doktor Jung, warten Sie bitte. Hier ist ein Anruf für Sie!”
Kathrin drehte sich um. Schwester Julia stand in der Bürotür. Als Kathrin näher kam, flüsterte sie: “Ich glaube, er kommt aus Australien.”
“Australien?”, fragte Kathrin und nahm Julia den Hörer aus der Hand. “Ich kenne niemanden in Australien.”
“Doch”, flüsterte Julia weiter. “Auf jeden Fall spricht er englisch.”
“Hallo, hier ist Kathrin Jung.”
“Hallo, hier ist Miller, Australien. Miss Jung? Spreche ich mit Miss Jung?”
“Ja, am Apparat.”
“Guten Tag, Miss Jung”, sagte der Mann. “Ich habe leider keine guten Neuigkeiten für Sie. Gabriele Wünschelberger ist verstorben.”
“Gabriele Wünschelberger? Wer ist das?”, fragte Kathrin. “Ich kenne niemanden mit diesem Namen.” Sie war verwirrt.
“Gabriele Wünschelberger war die Tante Ihres Vaters”, sagte der Mann aus Australien.
“Aha”, sagte Kathrin.
“Sie hat Sie in ihrem Testament bedacht.”
“Mich?”
“Ja, Sie sind Ihre einzige noch lebende Verwandte.”
“Oh…” Kathrin war ehrlich überrascht. Ihr Vater hatte nie von einer Tante Gabriele gesprochen und auch nie von einer Verwandtschaft in Australien. Was Kathrin wunderte, denn ihr Vater war immer gerne auf Reisen gewesen. Eine Tante in Australien hätte er sicherlich mehrmals im Jahr besucht.
“Die Testamentseröffnung findet in zwei Wochen statt”, sprach der Mann am Telefon weiter. “Es wäre gut, wenn Sie dabei sein könnten.”
“Wie meinen Sie? Ich soll nach Australien kommen?”, fragte Kathrin. “Ist das wirklich nötig? Da bin ich ja mindestens zwei Tage unterwegs, wenn das überhaupt reicht.”
“Ja, ich weiß, es ist eine weite Reise. Aber es wäre tatsächlich das Beste, wenn Sie bei der Verkündung anwesend wären.”
“Was hat sie mir denn vererbt?” Kathrin war nun doch neugierig geworden.
“Das kann ich Ihnen erst nach der Verlesung des Nachlasses sagen. Vorher bin ich nicht befugt, Ihnen Auskunft zu geben.”
“Wie haben Sie überhaupt diese Nummer herausgefunden?”, fragte Kathrin. “Woher wussten Sie denn, dass ich hier in der Klinik arbeite?”
“Es ist meine Aufgabe als Nachlassverwalter, die Erben ausfindig zu machen.”
“Ok”, sagte Kathrin. “Sie sind also der Nachlassverwalter. Und da wollen Sie mir erzählen, dass Sie keine Details kennen? Das kann ich nicht glauben.”
“Das ist nicht ganz korrekt.” Jetzt zögerte der Mann. “Es ist nur so. . . Ich darf Ihnen vor der Testamentseröffnung keine Einzelheiten erzählen. Finden Sie sich in zwei Wochen hier in Nearharvest ein und Sie erfahren alles weitere. Eine förmliche Einladung wird Ihnen in den nächsten Tagen per Post zugehen. Ich habe Sie nur angerufen, um Sie persönlich auf die Situation vorbereiten. Ich hatte keine Ahnung, dass Gabriele für Sie eine Unbekannte ist.”
“Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet”, sagte Kathrin nun. Sie wollte das Gespräch beenden. Es war ihr unangenehm, kam ihr unwirklich vor. “Wenn ich über alles nachgedacht habe, werde ich Ihnen Bescheid geben. Guten Tag, Mister Miller.”
“Guten Tag, Miss Jung.”
Kathrin legte auf. Schwester Julia stand in der Tür. “Frau Doktor Jung, Sie müssen in den OP. Der Alte kocht schon vor Wut, weil Sie noch nicht da sind. Sie wissen doch, wie sehr er Unpünktlichkeit hast.”
“Ach Gott, ja”, sagte Kathrin und lief auf den Flur hinaus. “Die OP. Hab ich völlig vergessen. Danke Julia”, rief sie der Schwester zu und rannte zum Aufzug. Im Laufen zog sie ihren Arztkittel aus.
Die Liebe kommt im Karohemd, Folge 3; ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.
Schön, das wir jetzt ein bisschen schlauer sind.
AHHH, jetzt kommt Licht ins Dunkel ;)))))
LG Sue