Auf dem Gipfel wohnt die Liebe, Folge 18

Zuhaus, ja wo ist schon zuhaus? Da könnte man glatt ins Philosophieren geraten. Maja hingegen hat’s ja mit dem Philosophieren nicht so, sie lässt sich mehr von ihren Gefühlen leiten statt von ihrem Verstand. Ist ja auch gut so. Sonst wären wir nicht in einem Kitschroman, sondern im Sein und Nichts von Sartre. Nicht, dass ich was gegen Sartre hätte . . .

Kitsch, Groschenroman, Liebe, Herzschmerz, Liebesroman, Carola Pigisch, Tirol, Berge

Die Ruhe auf dem alten Waldspielplatz hatte Maja und ihrer Schwester schon früher gut getan.
Peter Röben, “Spielgerät”, Some rights reserved , Quelle: www.piqs.de

Der Tag war anstrengend gewesen. Maja wollte nicht, dass ihre Kollegen oder ihr Vater bemerkten, wie es zwischen ihr und Tobias stand. Also hatte sie den ganzen Tag gute Miene zum bösen Spiel gemacht, was sie vor allem in der Wochenkonferenz ihre letzte Kraft gekostet hatte. Drei Stunden lang hatte sie an dem großen Besprechungstisch gesessen, neben ihrem Mann. Sie hatte gelächelt und Tobias’ Liebesbekundungen geduldig ertragen. Seine Hand auf ihrem Arm, sein Fußeln unter dem Tisch, seine Blicke und Anspielungen. Jetzt konnte sie nicht mehr. Maja atmete tief durch. Völlig in Gedanken versunken hatte sie die Kanzlei verlassen und war zu dem alten Waldspielplatz gefahren, den sie und ihre Schwester früher immer aufgesucht hatte, wenn sie Ruhe gebraucht hatten.

Sie setzte sich auf die Schaukel und holte ihr Handy hervor. Sie las Martins Nachrichten wieder und wieder. Er schrieb immer dasselbe, wann sie wiederkomme und dass er sie liebe. Zweimal am Tag mindestens ließ er von sich hören. Offenbar meinte er es ernst. Heute hatte er ein Foto mitgeschickt: der Mann ihrer Träume mit ausbreiteten Armen vor der großartigen Bergkulisse Tirols – als wolle er sagen: Komm endlich zu mir! Maja schossen die Tränen in die Augen. Was sollte sie nur tun? Alles stehen und liegen lassen? Warum hatte ihr Martin nicht vor ihrer Hochzeit begegnen können? Sie zerfleischte sich innerlich und das nun schon seit fast einer Woche. Sie musste eine Entscheidung treffen. Maja ging zum Auto zurück und fuhr nach Hause.

Tobias’ Auto stand in der Einfahrt. Dass er vor 21 Uhr Feierabend machte, war noch nie vorgekommen. Er musste gemerkt haben, dass etwas nicht stimmte. Als sie das Haus betrat, saß er auf dem weißen Sofa. “Hallo Schatz”, sagte er. “Schau mal.” Er deutete auf einen Stapel Katalog auf dem Tisch. “Ich war heute im Reisebüro. Wegen unserer Flitterwochen. Lass uns noch einmal wegfahren, bitte.” Sein Ton war flehend. “Ich weiß, ich habe einen Fehler gemacht, dass ich den Börner-Fall so wichtig nahm. Es kommt nicht wieder vor.” Er hielt einen der Kataloge hoch. “Und, wir fahren in die Berge. Wie Du es Dir wünschst.” Er strahlte sie erwartungsvoll an. “Ich habe ein wunderschönes Hotel in Kitzbühel ausfindig gemacht. Dort ist es im Sommer fast noch schöner als im Winter. Na, was sagst Du?”

Maja ging zum Küchenblock und schenkte sich etwas zu trinken ein. Was sollte sie sagen? Sie hatte nicht die geringste Lust, mit Tobias wegzufahren. Weder in die Berge noch sonst wohin. Sie wollte ihre Ruhe, um die wichtigste Entscheidung ihres Lebens zu treffen. “Weißt Du Tobias” sagte sie, “es freut mich, dass Du Dich so bemühst und ich weiß es auch zu schätzen. Aber ich glaube nicht, dass ich jetzt schon wieder wochenlang in der Kanzlei fehlen kann. Schließlich hab ich auch Mandanten, um die ich mich kümmern muss.” “Schatz, das weiß ich ja”, sagte Tobias. “Aber vergiss nicht, der Chef der Kanzlei ist Dein Vater. Er wird Dir doch wohl kaum die Flitterwochen verwehren, oder?” Maja lenkte ab: “Lass uns morgen darüber reden”, sagte sie. “Ich bin sehr müde heute. Hast Du schon was gegessen?”

Schon wieder ärgerte sie sich. Maja mochte es nicht, wenn Tobias sich immer wieder Dinge erlaubte, die sich andere Kanzleimitarbeiter nie herausnehmen würden. Als Schwiegersohn und Tochter des Seniorpartners hatten sie beide seiner Meinung nach eine Sonderstellung. Eine Haltung, die Maja in keiner Weise teilte. Im Gegenteil, sie verhielt sich immer betont konform und zurückhaltend, um nicht den Eindruck von Vorzugsbehandlung aufkommen zu lassen. Dass Tobias diese mühsam erarbeitete Normalität immer wieder torpedierte, empfand sie als ungehörig. Sie nahm ihr Handy und sah sich zum hundertsten Mal Martins Bild an. Dann bestellte sie eine Pizza.

Auf dem Gipfel wohnt die Liebe, Folge 18; ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich

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