Oje, oje! Wenn Maja nicht aufpasst, verstrickt sie sich immer weiter in die Geschichte mit Martin und den Bergen Tirols. Im Dirndl auf ein Trachtenfest zu gehen – ich finde das ganz schön gewagt in ihrer Situation. Sie sollte lieber ganz schnell ins Auto sitzen und nach Hamburg zurückfahren, um zu retten, was noch zu retten ist. Aber wer kann das schon, wenn er glaubt, die ganz große Liebe gefunden zu haben?
Maja stand an einem kleinen Tischchen und schaute in den Himmel. Am Horizont sah sie die Berge Tirols, auf dem einen oder anderen lag noch Schnee. Das Panorama war jedes Mal atemberaubend und ein würdiger Anblick für ihren letzten Abend. Sie nippte an ihrem Wein und betrachtete die Menschen um sie herum. Wilde hatte Tobias sie herablassend genannt. Völlig zu Unrecht, wie Maja fand. Nirgendwo hatte sie bislang so nette, herzliche und freundliche Leute getroffen wie in diesem Bergdorf. Auch hier beim Maiensang fühlte sie sich nicht als Fremde, die Einheimischen sprachen mit ihr, prosteten ihr zu und machten ihr Komplimente für das Dirndl. “Fesch, meine Liebe”, hatte auch Frau Androsch gesagt, als Maja die Treppe herunter gekommen war. “Und genau die richtige Menge Holz vor der Hüttn.” Maja hatte gelacht. Nach ihren Abenden bei den Meiningers war sie vertraut mit dem Humor der Dorfbewohner. Und es stimmte ja. Sie fand selbst, dass ihr das Dirndl fantastisch stand. Insgeheim hoffte sie, dass es auch Martin gefallen würde. Sie hatte seit dem Abend nichts mehr von ihm gehört und wusste nicht, ob er kommen würde.
“Maja, hallo! Komm Hannes, da ist Maja!” Frau Meininger und ihr Sohn bahnten sich den Weg durch die Menge. Martins Mutter umarmte Maja herzlich und drückte sie fest. “Das ist schön, dass Sie dabei sind, wenn wir unsere alte Tradition feiern”, sagte sie. “Das Fest gibt es schon seit mehr als 200 Jahren und es ist unser absolutes Highlight. Wissen Sie, es unterteilt unser Jahr. Es gibt die Zeit vor dem Maiensang und die Zeit danach.” Auch Frau Meininger hatte sich herausgeputzt. “Wow, Sie sehen wirklich soll aus, Frau Meininger”, sagte Maja. “Das ist mein Maiensang-Dirndl, das ziehe ich nur an diesem einen Tag an. Oh, jetzt spielt die Musik! Komm Hannes, tanz doch ein bisschen mit Maja. Sonst langweilt sie sich.” Frau Meininger bewegte die Hüften wie eine Bauchtänzerin, offenbar ließ die Tradition des Maiensang sie ihre Arthritis vergessen. Sie verschwand in der Menge.
“Wollen wir?”, fragte Hannes schüchtern und streckte Maja die Hand hin. Sie ließ sich von ihm auf die Tanzfläche führen und schnell wiegten sie sich im Rhythmus der Musik. “Wo haben Sie es gelernt, so zu tanzen?”, fragte Maja beeindruckt. “Ach, ich tanze einfach für mein Leben gern”, sagte er lachend. “Und wenn man etwas gern macht, macht man es doch meist auch gut, oder?” Maja blieben die Blicke der Umstehenden, vor allem der Damen, nicht verborgen. “Wir werden beobachtet”, sagte sie. “Natürlich!” Hannes musste lachen. “Was denken Sie denn? Ich glaube, Sie haben keine Vorstellung davon, was wir Meininger-Jungs für einen Schlag bei den Frauen haben!” Er lachte schallend, aber Maja war klar, dass er die Wahrheit gesagt hatte.
“Wo ist eigentlich Martin?”, fragte sie so beiläufig wie möglich. “Der müsste eigentlich längst hier sein”, antwortet Hannes. “Er hatte wieder einen dieser unsäglichen Gerichtstermine in Innsbruck. Diese Typen von Müller-Feto sind wirklich harte Knochen. Von denen hat er nichts zu erwarten, außer jede Menge Ärger.” Hannes sah sie an. “Er hat Ihnen die Geschichte doch erzählt?”, fragte er. “Sie hatten gestern Abend ja genug Zeit, oder?” Er lächelte verschmitzt und Maja wurde rot. “Sie müssen nicht rot werden, Maja”, sagte er, hielt sie ein Stück von sich weg und betrachtet sie. “Sie haben meinen Bruder verzaubert. Und das verwundert mich kein bisschen. Sie sind wunderschön, intelligent und zurückhaltend. Es muss ihn wie ein Blitz getroffen haben.” Maja sah ihn fragend an. “Martin hatte bisher kein Glück bei den Frauen. Entweder sie haben seine Gutmütigkeit ausgenutzt oder seine Großzügigkeit. Eine andere hat ihn über Jahre betrogen. Die letzte lebte in Wien und weder er noch sie konnte sich entscheiden, das eigene Leben für den anderen aufzugeben. Am Ende blieb nur die Trennung.” “Das klingt ja schlimm”, sagte Maja betroffen. “Ja, und daraufhin hat er beschlossen, sich nicht mehr zu verlieben.” Hannes drehte Maja im Kreis. “Aber das hat ja wohl nicht geklappt”, sagte er. “Seit gestern ist mein Bruder wie verwandelt. Ich möchte wissen, was Sie mit ihm gemacht haben.” Maja unterbrach den Tanz und blieb mitten auf der Tanzfläche stehen. “Es war ein Fehler”, sagte sie. “Es hätte nie passieren dürfen. Ich bin erst seit zwei Wochen verheiratet und außerdem lebe ich in Hamburg. Das ist von hier aus betrachtet am anderen Ende der Welt. Wir hätten doch nicht die geringste Chance.” Sie sagte es mehr zu sich selbst als zu Hannes. “Liebe überwindet alle Widrigkeiten”, sagte Martins Bruder und führte sie von der Tanzfläche.
Auf dem Gipfel wohnt die Liebe, Folge 13; ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich
Ich blute schon mit….. Sue
Hahaha, Holz vor der Hüttn…genau der richtige Ausdruck
… schnief…