Was ich lese

Nemesis
Wieder ein Werk vom großen Meister der Geschichten. Eine amerikanische Kleinstadt wird im letzten Jahr des zweiten Weltkriegs von einer Polio-Epidemie heimgesucht. Der Sportlehrer Bucky Cantor muss zusehen wie einige der Jungs, die er trainiert, krank werden und zum Teil sterben. Der Tod der Kinder und das Leid der Familie setzen im sehr zu.  Aber Bucky macht weiter aus Verantwortung für die Jungs in der Stadt und auch für sich selbst. Er fühlt sich schlecht, weil er als Ausgemusterter nicht wie seine Freunde im Krieg ist und dadurch nicht in der Lage ist, sein Land zu verteidigen. Als seine Verlobte Marcia in drängt, zu ihr in ein Kinderferienlage zu kommen und dort als Sportlehrer zu arbeiten, sagt Bucky zu. Die Seuche scheint endlich in weiter Ferne .  .  . Philip Roth hat eine Geschichte von Verantwortungsgefühl, Schuld und falschen Hoffnungen geschrieben, die eine doch überraschende Wendung nimmt. Wie oft in seinen Büchern ist der Schluss leider  etwas dürftig und dieses Mal sogar fast banal. Dennoch: ein lesenswertes Buch!!

Philip Roth, Der Nemesis, rororo
219 Seiten, Taschenbuch, 8,99 Euro

Cover_der sohn Der Sohn
Die Idylle der niederländischen Familie Silverstein ändert sich schlagartig, als der Großvater stirbt. Bedrohungen häufen sich und auch der Tod des Großvater scheint im Rückblick Rätsel aufzugeben. All die Grausamkeiten, die die wohlhabenden Silversteins zu ertragen haben, resultieren aus einer Familiengeschichte, die im Klappentext zum Familiengeheimnis stilisiert wird. Ein Geheimnis ist es aber nicht wirklich. Die Silversteins sind Juden, haben einen Großteil ihrer Angehörigen im KZ verloren und werden nun wieder angefeindet. Nur Mitch, der 18-Jährige Sohn bekommt von all dem nichts mit. Er befindet sich in einem Camp der Marines, wo er auf Einsätze in Kriegsgebieten vorbereitet wird. Er ist es aber, der die Geschichte des Großvaters letztlich zu Ende führt. Der Sohn ist ein Buch, das man kaum aus der Hand legen kann, was weniger an der zunächst eher wenig überraschenden Geschichte liegt, als vielmehr am unglaublich spannenden Schreibstil der Autorin. Erst auf den letzten beiden Seiten nimmt die Story eine Wendung, die dem Buch einen ungeheuren Nachhall verleiht. Hier gilt: Die letzten Seiten auf keinen Fall vorher lesen!!

Jessica Durlacher, Der Sohn, Diogenes
408 Seiten, Taschenbuch, 12, 90 Euro

978-3-257-24092-4-page-001 Massimo Marini
Massimo Marini ist ein Mann wie der Maschinenpark seines Tunnelbohrunternehmens. Stark, groß, vital, mit schwarzem Haar und schönen Händen. Mit 46 verliebt er sich unsterblich in eine junge Cellistin mit dunklem Geheimnis und sein bis dahin erfolgreich verlaufenes Leben führt direkt in die Katastrophe. Die passiert just an dem Tag, der eigentlich die Krönung seiner Karriere sein soll. Im Oktober 2007 als der Durchstoß für den Gotthard-Basis-Tunnel, den längsten Tunnel der Welt, gelingt. Massimo Marini ist eine schillernde Persönlichkeit, ein unglaublich faszinierender Mann, dem wie vielen von uns das Alter in die Quere kommt. All die verpassten Möglichkeiten und die Angst davor, sie nie wieder nachholen zu können, verstellen seinen Blick auf sein bisheriges Leben, das ihm plötzlich nur noch wenig Wert zu sein scheint. Ein kraftvolles Buch.

Rolf Dobelli, Massimo Marini, Diogenes
376 Seiten, Taschenbuch, 10,90 Euro

Cover_der rest ist schweigen Der Rest ist Schweigen
Die Geschichte einer modernen Patchworkfamilie, die jede Menge Unausgesprochenes mit sich herumträgt. Das sind Juan, der erfolgreiche Chirurg und Alma, seine zweite Frau, die nebeneinander herleben und nicht zueinander finden. Und da ist Tommy, Juans herzkranker Sohn aus erste Ehe. Die Dinge geraten außer Kontrolle, als Tommy per Zufall erfährt, dass seine Mutter sich das Leben genommen hat, ihn also freiwillig verließ. Tommy macht sich auf die Suche nach den Antworten, die er zuhause nicht bekommt. Weil Juan und Alma zu sehr mit ihrer beider Leben beschäftigt sind. Am Ende finden die beiden wieder zueinander, aber der Preis ist hoch. “Der Rest ist Schweigen” ist ein sehr einfühlsames Buch, in dem bestimmt jeder ein Stück von sich und seinem Leben wiederfindet. Es geht zu Herzen, ist traurig und auf wunderbare Weise schön.

Carla Guelfenbein, Der Rest ist Schweigen, Fischer
334 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro

Cover_Rosenfeld_AdamsErbe-page-001 Adams Erbe
Ein wunderbares Buch – um es mit Marcel Reich-Ranicki zu sagen. Es handelt von der einen großen Liebe und was sie mit Menschen macht, die sie gefunden haben. Hauptperson ist Edward, dessen Kindheit geprägt ist von Jack Moss, der großen Liebe seiner Mutter, und dem als Erwachsener ein Buch seines Onkels Adam in die Hände fällt. Darin hat Adam die Geschichte seiner einzigen Liebe aufgeschrieben, und welches Opfer er dafür während der Nazizeit in Polen gebracht hat. Adams Erbe ist ein herrliches Buch, das auf opulente Beschreibungen von Orten und Landschaften verzichtet. Das im Prinzip nur lebt von den handelnden Personen, von denen es zugegebenermaßen reichlich gibt. Doch der Charakter jedes einzelnen dieser Menschen wird mit Hilfe der Dialoge so genau beschrieben, dass man keinen von ihnen vegisst. Mal ganz abgesehen von der überraschenden und außergewöhnlichen Geschichte, die Astrid Rosenfeld so unaufgeregt, leise und äußerst amüsant erzählt, dass klar ist: In dieser dunklen Zeit war sie gar nicht soooo außergewöhnlich und hat vielleicht hunderte Male stattgefunden.

Astrid Rosenfeld, Adams Erbe, Diogenes,
384 Seiten, gebundene Ausgabe 21,90 Euro

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