Home » Grandhotel Herz » Grandhotel Herz, Folge 25

Grandhotel Herz, Folge 25

Eingetragen in: Grandhotel Herz | 0
Kitsch, Groschenroman, Liebe, Herzschmerz, Liebesroman, Carola Pigisch, Wien, Grandhotel
Die Briefe stammten von einer Frau namens Nadja.
kilbach_grafik, “Briefe an Pückler”, Some rights reserved , Quelle: www.piqs.de

Max lehnt sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und sah aus dem Fenster. Wieder und wieder hatte er die Zeilen gelesen, die vor ihm lagen. Und noch immer konnte er nicht glauben, was da stand. Elisabeth hatte recht gehabt, es gab eine zweite Familie seines Vaters in Znojmo, einer kleinen tschechischen Stadt nahe der österreichischen Grenze. Wie oft er früher mit seinen Eltern dort war. Angeblich hatte der Vater dort zu tun gehabt und Max hatte mit seinem Bruder und der Mutter langweilige Nachmittage am Ufer der Thaya verbringen müssen. Wenn er damals gewusst hätte, was sein Vater wirklich trieb . . .

Max beugte sich erneut über die Kopien. Es waren an die 50 Seiten, Elisabeth hatte ganze Arbeit geleistet. Die Briefe stammten von einer Frau namens Nadja, die sehr in seinen Vater verliebt sein musste – bis heute. Das letzte Schreiben datierte vom Januar, von vor vier Monaten also. Und noch immer standen verzweifelte Liebesbekundungen darin. Doch der Vater, das entnahm Max früheren Briefen, musste sich bereits vor längerer Zeit von Nadja getrennt haben. Offenbar hatte er den gesellschaftlichen Skandal gescheut, der ihm in Wien gedroht hätte.

Max ließ das Blatt sinken und stand auf. Er ging zur Kommode, nahm ein Glas heraus und schenkte sich einen Brandy ein, den in einem Zug leerte. Er musste mit seinem Vater sprechen, musste aus dessen Mund hören, dass dies kein Albtraum war, sondern Realität. Und dann? Max kannte seinen alten Herrn. Der Vater würde alles dafür tun, den Skandal zu vermeiden und die Geschichte unter dem Teppich zu halten. Und dasselbe würde er von Max fordern: unbedingten Gehorsam. Und das bedeutete, dass er Elisabeth würde heiraten müssen und ihr sein ganzes Leben lang auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Von Mitzi würde er sich unter einem Vorwand trennen müssen, was ihm schon allein bei dem Gedanken daran das Herz brach.

Verzweiflung stieg in ihm hoch. Sollte sein Leben vorbei sein, nur weil sein Vater in jungen Jahren eine folgenreichen Liaison hatte? Sollte er, der eigentlich nichts damit zu tun hatte, seine restlichen Jahre dafür büßen? Max starrte auf das leere Glas in seiner Hand. Dann schleuderte er es voller Wut an die Wand. Es knallte fürchterlich als es zerbrach und hinterließ einen hässlichen Fleck auf der Tapete.

Es klopfte an der Tür. Frau Maier steckte den Kopf herein.
“Alles in Ordnung, Herr Ludenhoff? Es klang, als sein ein Glas runtergefallen.”
“Es ist alles bestens, Frau Maier.” Max riss sich zusammen. “Bitte, rufen Sie doch meinen Vater an und bitten ihn herzukommen.”
“Jetzt? Es ist 15 Uhr, Sie wissen doch, dass er um diese Zeit immer sein Schläfchen macht.”
“Das ist mir im Moment völlig egal. Er soll in mein Büro kommen und zwar sofort.”
Nur mit Mühe konnte Max seine Wut zügeln. Frau Maiers Blick sprach Bände. Sie hatte den Ernst der Lage begriffen.
“In Ordnung, Herr Ludenhoff! Ich sage ihm auf der Stelle Bescheid.”
Die Bürotür fiel hinter ihr ins Schloss.

Max trat ans Fenster und sah hinaus. Dicke Limousinen fuhren vor dem Hoteleingang vor, teure Koffer wurden ausgeladen, Portiers halfen betuchten Damen und Herren beim Aussteigen. Es war wie jeden Tag, für all die Menschen da draußen ging das Leben weiter. Beim ihm hingegen war eine Katastrophe passiert. Er würde Mitzi verlieren, würde sie aufgeben müssen. Alles, was er sich erträumt hatte, ein Leben mit der Frau, die er vom ersten Moment an geliebt hatte, war nicht mehr möglich. Stattdessen warteten die rotlackierten Klauen Elisabeths auf ihn, aus denen er sich nun nicht mehr würde befreien können. Nein, das Leben war nicht fair.

Max wusste nicht, wie lange er aus dem Fenster gestarrt hatte. Die Stimme seines Vater riss ihn aus seinen Gedanken.
“Max? Mein Junge, was gibt es denn so Dringendes. Du weißt doch, wie sehr ich mein Nickerchen am Mittag brauche.”
“Vater, schön, dass Du es einrichten konntest. Bitte setz Dich.”
Max ging zu seinem Schreibtisch, rückte den Stuhl, der davor stand, zurecht und bedeutete seinem alten Herrn, sich zu setzen. Er selbst lief um den Tisch herum und setzte sich in den Bürosessel.
“Es handelt sich um eine heikle Angelegenheit.”
Sein Vater schaute fragend.
“Mir wurden Kopien von Briefen zugespielt, deren Inhalt mit fassungslos macht.”
Jetzt schien der alte Ludenhoff alarmiert. Er sagte aber nichts.
“Sagt Dir der Name Nadja etwas?”, fuhr Max fort.
“Nadja?”, fragte der Vater und geriet ins Straucheln. “Ja, ich kenne eine Nadja . . . aber das ist doch schon . . . wie kommst Du auf den Namen? . . . Hat Deine Mutter etwa?”
“Vater! Wer ist Nadja?” Max wurde ungehalten und seine Stimme laut.
Der Vater starrte auf seine Hände, die in seinem Schoß lagen.
“Vater!” Max brüllte jetzt fast. “Antworte mir!”

“Nadja ist eine Frau in Znojmo”, sagte der alte Ludenhoff langsam.
“Und warum schreibt diese Frau Dir Liebesbriefe?”
“Das ist so lange her. . .”, setzte der Vater an.
“Hör endlich auf mit diesen Satzfetzen. Wer ist Nadja und was hast Du mit ihr zu schaffen? Glaub mir, Du wirst diesen Raum nicht verlassen, bevor Du die ganze Geschichte erzählt hast.”
“Max, bitte. Diese Sache hat keine Bedeutung, sie liegt Jahre zurück.”
“Sie hat mir und Carl nur zwei Halbgeschwister beschert. Das nennst du keine Bedeutung?”
“Gut, gut. Ich habe Nadja vor 25 Jahren auf einer Geschäftsreise nach Prag kennengelernt. Sie war Dolmetscherin und ich war vom ersten Tag an fasziniert von ihr. Sie war so anders als Deine Mutter, so fröhlich und stark, so lebenstüchtig und zupackend.”
“Erspar mir Details. Du wusstest also nichts besseres, als diese Frau zu schwängern?”
“Das war doch keine Absicht! Es ist passiert, wie Dinge eben passieren. Wir haben uns geliebt, verdammt noch mal. Hast Du noch nie eine Frau geliebt, Max?”
“Doch im Moment tue ich das. Und wegen Deines blöden Fehlers von damals werde ich genau diese Frau verlieren. Verstehst Du?”
“Nein, ehrlich gesagt nicht.”
“Warum hast Du nicht Schluss gemacht?”
“Sollte ich eine mittellose, junge Dolmetscherin einfach in Tschechien sitzenlassen? Damals war gerade die Mauer gefallen, im Osten war alles im Umbruch, ihr Job plötzlich unsicher.”
“Statt die Sache mit Würde zu beenden, habt Ihr dann gleich noch einen zweiten Balg hinterher geschoben.”
“Auch Olek war nicht geplant. Ich saß zwischen zwei Stühlen, konnte mich nicht entscheiden. Hier meine Familie in Wien, mein gesellschaftliches Leben als erfolgreicher Hotelier und da die Frau, die ich über alles liebte und meine kleine Tochter.”
“Mein Mitleid hält sich in Grenzen.”
“Ich erwarte kein Mitleid von Dir Max. Ich bitte nur um etwas Verständnis.”
“Letztendlich hast Du sie aber doch verlassen.”
“Ja, diese Zerrissenheit hat mich schier umgebracht. Ich konnte so nicht mehr weitermachen. Da habe ich sie schweren Herzens verlassen. Das sich mehr als fünf Jahre her. Aber es vergeht auch heute noch kein Tag, an dem ich nicht an sie denke.”
“Weiß Mutter davon?”
“Gott bewahre! Dann wäre sie reif fürs Sanatorium. Denk nur an ihre Gastritis. Nein, sie darf es nie erfahren. Aber sag mir Junge, woher hast Du die Briefe eigentlich?”
“Sie waren heute Morgen in der Post.”

Hier geht’s zu Folge 26 von “Grandhotel Herz”.

Grandhotel Herz, Folge 25; ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.

Deine Gedanken zu diesem Thema