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Grandhotel Herz, Folge 24

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Kitsch, Groschenroman, Liebe, Herzschmerz, Liebesroman, Carola Pigisch, Wien, Grandhotel
“Arm in Arm standen sie auf der großen Brücke in Heiligendorf”, erzählte Tante Gertrud und schluchzte.
Ian Sane, “Corner Stones”, Some rights reserved , Quelle: www.piqs.de

Es war dunkel geworden. Mitzi starrte in den Nachthimmel. Seit zehn Minuten hatte niemand mehr ein Wort gesagt, weder Tante Getrud noch sie selbst. Zu sehr hatte sie die Geschichte der beiden Schwestern mitgenommen. Konnte es wirklich sein, dass ihre eigene Mutter so etwas getan hatte? ­Einer anderen Frau den Mann auszuspannen, nur um ihn kurze Zeit später wieder zu verlassen? Mitzi hatte ihre Mutter als herzensgute Frau in Erinnerung, eine solche Gemeinheit konnte sie sich bei ihr beim besten Willen nicht vorstellen. Kein Wunder war Getrud so schlecht auf ihr Schwester zu sprechen gewesen. Offenbar hatte sie Albert sehr geliebt, so sehr, dass sie nach ihm nie mehr eine ernsthafte Beziehung eingegangen war.

Mitzi dachte an Max. War er für sie auch der eine, der wahre Mann, derjenige, auf den sie ihr bisheriges Leben gewartet hatte? Diese Frage konnte sie ganz klar mit Ja beantworten. Max war wunderbar. Liebevoll, gut aussehend und stattlich. Er hatte gute Manieren, einen feinen Sinn für Humor und wenn er sie anlächelte, ging für sie die Sonne auf. Was wollte sie mehr?

“Wo bist Du denn mit Deinen Gedanken, Mitzi? Bei Deinem Traumprinzen?”, fragte Getrud plötzlich.
“Ja”, antwortete Mitzi und lächelte. “Ich hab mich gefragt, ob er für mich dieselbe Bedeutung hat wie Dein Albert für Dich.”
“Albert war alles für mich damals, das stimmt”, sagte Gertrud nachdenklich. “Aber heute weiß ich, dass es nicht gut ist, einem Menschen eine solche Bedeutung beizumessen.”
“Ist das nicht ganz normal, wenn man liebt?”
“Die Liebe wird von den Menschen oft überhöht. In Romanen wird uns die große Liebe vorgegaukelt ebenso wie in etlichen Hollywood-Schinken. Aber wie sieht denn die Realität aus? Schau Dich doch um, überall Trennungen und Scheidungskriege. Nach meinen Beobachtungen ist es nicht weit her mit der großen Liebe.”
“Wie hast Du den Betrug damals eigentlich herausgefunden?”
“Eines Abends habe ich sie gesehen, auf der großen Brücke in Heiligendorf. Arm in Arm standen sie da und blickten in die untergehende Sonne.”

Das Erinnern fiel Getrud schwer. Sie schluckte.
“Zunächst dachte ich mir nichts dabei. Aber als Albert sich dann zu Lydia beugte und sie innig küsste, da wusste ich schnell Bescheid. Der Boden schien sich aufzutun und ich stürzte hinein. In diesem Moment war mein Leben zu Ende.”
“Und dann? Was hast Du dann getan?”
“Ich muss wohl nach Hause gegangen sein. In meiner Erinnerung sehe ich meinen besorgten Vater, der mich ständig fragte, was mit mir los sei.”

Getrud rann eine Träne über die Wange, die sie schnell weg wischte.
“Hast Du es ihm erzählt?”
“Wie hätte ich das tun sollen? Ihm sagen, dass seine Tochter mir den einzigen Mann ausgespannt hat, den ich jemals lieben würde?”
Getrud holte tief Luft.
“Nein, ich packte ein paar Sachen zusammen und sagte ihm, dass ich dringend einer Freundin beistehen müsse, deren Freund sie verlassen hätte. Er hat nur genickt und nicht weiter nachgehakt. Ich bin nach Wien und hab mich in ein kleines Hotel eingemietet. Eine Woche lang habe ich mein Zimmer nicht verlassen, nichts gegessen und eigentlich nur geweint.”
“Hast Du Albert je wieder gesehen?”
“Nein. Nach ein paar Monaten kam ein Brief von ihm, in dem er sich erklärte. Da war sein Liebesglück mit Lydia aber längst vorbei. Sie hatte ihn verlassen. Angeblich hatte sie nicht gewusst, dass ihr Albert auch mein Albert war.”
“Das verstehe ich nicht.”
“Naja, sie behauptete, dass sie völlig unwissend war, als sie sich mit Albert eingelassen hatte. Sie hätte nicht gewusst, dass er genau der Mann war, von dem ich ihr monatelang vorgeschwärmt hatte.”
“Hast Du ihr geglaubt?”
“Das hätte ich gerne. Immerhin war sie meine Schwester. Aber mein Gefühl sagte mir, dass sie nicht die Wahrheit gesagt hatte. Wie es wirklich war, habe ich nie erfahren.”
“Das ist ja ein schlimme Geschichte.”

Mehr konnte Mitzi nicht sagen. Tatsächlich fühlte sie sich verantwortlich. Sie schämte sich sogar ein bisschen für ihre Mutter. Tröstend griff sie nach Gertruds Arm. “Es tut mir so unendlich leid”, sagte sie leise.

Hier geht’s zu Folge 25 von “Grandhotel Herz”.

Grandhotel Herz, Folge 24; ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.

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