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Grandhotel Herz, Folge 16

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Liebe, Groschenroman, Kitsch, Wien, Hotel
Der Wagen hielt vor dem Wiener Rathaus.
libra1943, “Wiener Rathaus”, Some rights reserved , Quelle: www.piqs.de

“Bitte, Max. Hör auf, ständig an Deiner Fliege zu fummeln. Das macht sich nicht gut auf dem roten Teppich.” Elisabeth saß neben ihm im Fond der großen weißen Limousine, die sie zum Wiener Rathaus brachte. Max hatte gar nicht erst versucht, zu protestieren, als Elisabeth beim Portugiesen von ihren Wochenendplänen gesprochen hatte. Nach ihrem letzten Sieg war sie in den Olymp des Reitsports aufgestiegen und durfte auf keinen Fall fehlen, wenn sich die Granden der österreichischen Sportwelt trafen. Also hatte er lustlos den Smoking aus dem Schrank geholt, das weiße Hemd mit dem steifen Kragen angezogen und die Fliege umgebunden. Elisabeth hingegen war völlig euphorisch gewesen. Sie hatte eigens einen Stylisten ins Hotel kommen lassen, der ihr die Haare machte und ein professionelles Make up auflegte. Max musste zugeben, der glutäugige, erkennbar dem anderen Ufer zugeneigte Jüngling hatte ganze Arbeit geleistet: Elisabeth sah fantastisch aus. Das rote Kleid aus Seide versteckte gekonnt ihre Problemzonen und sorgte dafür, dass sie einem herrlichen Abend im Rampenlicht entgegen sah.

Der Wagen hielt vor dem Wiener Rathaus und ein freundlicher Herr im Livree öffnete die Tür. Max stieg aus und half Elisabeth mit ihrem Kleid. Die Fotografen blitzten wie die Wilden. Aus allen Himmelsrichtungen rief es: “Elisabeth, hierher schauen bitte.” Und Elisabeth drehte sich hierhin und dorthin, lächelte und hakte sich bei ihm unter.

“Lass uns reingehen”, flüsterte sie Max zu und winkte noch einmal in die Menge. Max war das Benehmen seiner Verlobten peinlich. Sie war weder ein Filmstar noch eine Kronprinzessin und er hatte keine Ahnung, warum ihr die Leute zujubelten. Wieder dachte er an Mitzi, an ihre ruhige, zurückhaltende Art und er stellte fest, dass er sich regelrecht danach sehnte, mit ihr das Wochenende zu verbringen.

“Freifrau, schön, dass Sie es einrichten konnten.” Rudolf Hölzl stand am Eingang und begrüßte die Gäste. Er machte einen formvollendeten Diener, nahm Elisabeths Hand und deutete einen Handkuss an. “Guten Abend, Herr Ludenhoff”, sagte er dann und reichte Max die Hand. “Ein seltener Anblick, Sie beide zusammen zu sehen. Wünsche einen schönen Abend.”

“Danke, Herr Hölzl, vielen Dank”, flötete Elisabeth.”Was der sich herausnimmt”, sagte sie zu Max als sie außer Hörweite waren. “Eine Unverschämtheit, als würden wir nie gemeinsam auftreten. Nur, weil er einmal den Riesenslalom gewonnen hat, glaubt er gleich, die höchste Instanz zu sein.”

Max schob Elisabeth durch den Raum. Sie hatten Plätze ganz vorne, nah der Bühne. Offenbar war seine Verlobte tatsächlich der neue Star am Sportlerhimmel. Er hatte keine Ahnung, wie sie das geschafft hatte. An ihrer meist unfreundlichen und herablassenden Art konnte es nicht liegen und auch nicht an ihren fundierten Kenntnissen in Sachen Sport. Rudi Hölzl hatte nicht nur einmal den Riesenslalom gewonnen, sondern vier Mal. Zweimal war er zudem Sieger der Vier-Schanzen-Tournee gewesen, ein außergewöhnliches Skitalent also, das die Pisten viel zu früh hatte verlassen müssen. Ein Trümmerbruch im rechten Bein, Folge eines Autounfalls, hatte seine Karriere mit gerade mal 24 Jahren beendet. Seitdem war er Sportfunktionär und zwar keiner von der korrupten Sorte, sondern einer, der es ernst meinte und dafür große Anerkennung bekam.

“Freifrau, darf ich Sie zu Ihrem Platz begleiten?” Franz Kastlhuber stand plötzlich neben Elisabeth. Er nahm sie am Arm und führte sie zu einem Tisch vorne links. Max trottete hinterher. Der Ball hatte noch nicht begonnen und er hatte bereits genug von seiner Rolle als Staffage und Beiwerk. Ausgerechnet Kastlhuber musste sich hier aufspielen. Über all den schnellen Autos und jungen Frauen, mit denen er sich pressewirksam beschäftigte, hatte er völlig vergessen, dass er eigentlich fürs Fußballspielen bezahlt wurde. “Chancentod” nannten sie ihn auch, weil er grundsätzlich jede Tormöglichkeit versemmelte. Ein blöder Wichtigtuer, aber offenbar genau Elisabeths Wellenlänge.

“Komm her, Schatz. Setz Dich neben mich”, sagte sie demonstrativ und klopfte auf den Stuhl neben dem ihren. Max nahm Platz und öffnete sein Jackett. Ihm war heiß, der Smoking war drei Jahre alt und mittlerweile zu eng. Er mochte diese formelle Kleidung nicht, er liebte Jeans und Hemd. Was wohl Mitzi sagen würde, wenn sie ihn hier sehen könnte? Wieder sah Max sie vor seinem inneren Auge, wie sie mit eiligem Schritt das Hotel verließ, obwohl sie doch mit ihm zu Mittag hatte essen wollen. Warum nur war sie gegangen ohne ihm Bescheid zu geben? Er würde die alte Reitinger nach dem Dienstplan fragen. Er musste erfahren, was los war.

“. . . und nun kommen wir zu einem ganz besonderen Preis, den wir in diesem Jahr zum ersten Mal verleihen.” Franz Kastlhubers Ankündigung holte Max aus seiner Gedankenwelt. “Ja, liebe Gäste, es ist ein ganz besonderer Preis: der Preis für besondere Anmut im Sport. Sie sind doch sicherlich mit mir einer Meinung, dass das eine äußerst wichtige Disziplin ist.” Kastlhuber lachte gönnerhaft, öffnete den Umschlag, den er zuvor lässig zwischen den Fingern gedreht hatte, und zog ein Kärtchen heraus. Was er las, schien ihm zu gefallen. Kastlhuber strahlte.
“Eine würdigere Trägerin hätte dieser Preis mit Bestimmtheit nicht finden können.” Er schaute vielsagend zum Tisch von Elisabeth und Max. “Die Gewinnerin des Preises für besondere Anmut ist Elisabeth, Freifrau von Krumau.” Kastlhuber klatschte wie wild in die Hände, kam von der Bühne herunter, um die Siegerin nach oben zu holen. Elisabeth stand auf, nickte würdevoll nach rechts und nach links und warf ihrem Verlobten einen triumphierenden Blick zu.
Max griff sich an den Hals. Ihm war, als zöge sich eine Schlinge zu.

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Grandhotel Herz, Folge 16; ein Liebesroman alter Tradition, Kitsch und Herzschmerz inklusive – wie beim Groschenroman üblich.

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